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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Tibet ausgelegt, weiß-blaue Porzellanübertöpfe für die Pflanzen besorgt und eine Küche eingerichtet, aus der jederzeit Tee wie im Savoy serviert werden konnte. Tong suchte die Kandidatinnen aus, die wir dann genau unter die Lupe nahmen: Die schaut, als wäre nicht gut Kirschen essen mit ihr, die ist evangelikal, die schminkt sich wie ein Flittchen usw. Wir achteten darauf, daß der Buchhalter sich nicht von Äußerlichkeiten blenden ließ, weil Fotos lügen, wie er selbst nur zu gut wußte, immerhin hatte Lori sein Bild am Computer sehr geschönt, hatte ihn größer gemacht, jünger und weißer, was in China offenbar gut ankommt. Tongs Mutter richtete sich in der Küche ein, um Sternzeichen zu vergleichen, und als wir endlich eine junge Krankenschwester aus Kanton fanden, die uns allen ideal erschien, ging die alte Dame zu einem weisen Astrologen in Chinatown, der ebenfalls sein Plazet gab. Das Foto zeigte eine lächelnde junge Frau mit rosigen Wangen und lebhaftem Blick, ein Gesicht, das man am liebsten küssen wollte.
    Nachdem Tong und seine ausgeschaute Braut über Monate förmliche Briefe gewechselt hatten, verkündete Willie, er werde mit seinem Buchhalter nach China fahren, um dieZukünftige kennenzulernen. Ich hatte zu viel zu tun und konnte nicht mit, obwohl ich vor Neugier fast verging. Ich bat Tabra, zu mir zu ziehen, weil ich nachts nicht gern allein im Haus bin. Sie hatte ihr Geschäft inzwischen wieder auf die Beine gebracht und wohnte nicht mehr bei uns, sondern in einem Häuschen mit einem Hof, der an goldene Hügel grenzte, wo sie das Gefühl von Abgeschiedenheit haben konnte, das ihr so kostbar ist. Das Zusammenleben mit unserer Sippe muß eine Quälerei für sie gewesen sein, sie braucht die Einsamkeit, aber sie willigte doch ein, mir Gesellschaft zu leisten, solange mein Mann fort war. Für eine Weile hatte Tabra es aufgegeben, über Kontaktanzeigen einen Partner zu suchen, weil sie Tag und Nacht arbeitete, um ihre Schulden loszuwerden, aber auf Gefiederte Echse hoffte sie noch immer, und der kreuzte ab und zu unvermittelt in ihrem Gesichtsfeld auf. Dann ertönte plötzlich seine Stimme auf ihrem Anrufbeantworter: »Es ist jetzt halb fünf, ruf mich bis fünf Uhr an, oder du hörst nie wieder von mir.« Tabra kam um Mitternacht hundemüde nach Hause und fand diese nette Nachricht vor, die sie über Wochen um den Schlaf brachte. Zum Glück zwang ihre Arbeit sie zum Reisen, sie war lange auf Bali, in Indien und an anderen fernen Orten, von denen sie mir in ihrem typischen, leicht spöttischen Ton köstliche Briefe voller Abenteuer schickte.
    »Schreib ein Reisebuch, Tabra«, bat ich sie mehr als einmal.
    »Ich mache Schmuck, ich bin keine Schriftstellerin«, wehrte sie ab, »aber wenn du Halsketten herstellen kannst, kann ich wahrscheinlich auch ein Buch schreiben.«
    Willie nahm seinen schweren Fotokoffer nach China mit, und es gelangen ihm einige sehr gute Aufnahmen, vor allem Porträts, für die er ein Faible hat. Wie immer ist das bemerkenswerteste Foto das eine, das er nicht hat machen können. In einem entlegenen Dorf in der Mongolei, wohin er allein gereist war, damit Tong ein paar Tage mit dem Mädchenverbringen konnte, ohne ihn ständig als Anstandswauwau dabeizuhaben, sah er eine uralte Frau mit bandagierten Füßen, wie sie früher in diesem Teil der Welt beim weiblichen Teil der Bevölkerung üblich waren. Er näherte sich ihr, um sie mit Gesten zu fragen, ob er ihre »goldenen Lilien« fotografieren dürfe, und die alte Frau lief schreiend, so schnell ihre deformierten Füßchen sie trugen, davon. Sie hatte bestimmt noch nie jemanden mit blauen Augen gesehen und dachte wohl, das sei der Tod, der sie holen wollte.
    Mein Mann wertete die Reise als Erfolg, die zukünftige Braut sei perfekt, haargenau, was sein Buchhalter suchte: schüchtern, folgsam und ohne jeden Schimmer über die Rechte, die Frauen in Amerika genießen. Sie wirkte gesund und kräftig und würde Tong bestimmt den so heiß ersehnten Sohn schenken. Ihr Name war Lili, sie verdiente ihren Lebensunterhalt als OP-Schwester, arbeitete sechzehn Stunden am Tag, sechs Tage die Woche für umgerechnet zweihundert Dollar im Monat. »Sie weiß schon, warum sie da weg will«, meinte Willie, als wäre ein Leben mit Tong und seiner Mutter dagegen ein Zuckerschlecken.

Schwere See
    Ich hatte mich auf ein paar ungestörte Wochen gefreut, die ich ganz dem Buch über den Goldrausch in Kalifornien widmen wollte, mit dem ich endlich

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