Das Siegel der Tage
Lampen zu montieren und Bilder aufzuhängen, bis hin zu unseren Freunden und den Enkeln, die Tassen und Teller in die Küchenschränke räumten, Umzugskartons zusammenfalteten und säckeweise Müll wegbrachten. In dem Aufruhr wärst du fast verlorengegangen, Paula. Zwei Tage später erklärten wir die Arbeit für beendet, und wir vierzehn, die wir uns beim Umzug den Rücken krumm geschuftet hatten, aßen am »Tisch der Schloßherrin«, wie Willie ihn von Anfang an nannte, zwischen Blumen und Kerzen zu Abend: Krabbensalat, chilenischen Schmorbraten und zum Nachtisch gebrannten Karamelpudding. Kein Essen vom Chinesen mehr. Damit weihten wir einen Lebensstil ein, den wir bisher nicht gepflegt hatten.
Wenn ich meine neue Stellung als Schloßherrin genoß, so war das doch nichts im Vergleich zu Willie, der eine Aussicht braucht, Platz ringsum und hohe Decken, um sich auszubreiten, eine großzügige Küche für seine Experimente, einen Grillplatz für die unglücklichen Rehe, die ihm die liebsten Filets liefern, und einen schön angelegten Garten für seine Pflanzen. Trotz der mannigfachen Allergien, die ihn von klein auf heimsuchten, geht er mehrmals am Tag nach draußen, um seine Nase in Blüten zu stecken, die Triebe an jedem Busch zu zählen und tief den kräftigen Duft von Lorbeer, den frischen der Minze, den herben der Kiefern und des Rosmarins einzuatmen, während sich dieRaben am Himmel, schwarz und weise, über ihn lustig machen. Siebzehn neue Rosensträucher hat er gepflanzt, um die zu ersetzen, die in unserem alten Haus geblieben sind. Als ich ihn kennenlernte, besaß er siebzehn Rosen in Kübeln, die ihm über Jahre auf dem Weg der Scheidungen und Umzüge gefolgt waren, aber als er vor unserer Liebe die Waffen streckte, pflanzte er sie in den Garten. Nun schnitt er schon im ersten Jahr Sträuße für mein Häuschen, den einzigen Ort, wo er sie hinstellen kann, weil sie ihn umbringen, wenn er zu lang in ihrer Nähe ist. Meine Freundin Pía kam aus Chile, um unser Haus zu segnen, und brachte, verborgen in ihrem Koffer, einen Ableger von »Paulas Rose« mit, die in ihrem Garten neben der kleinen Kapelle wächst, und zwei Jahre später sollte uns der neue Strauch mit einer Unzahl rosa überhauchter Blüten erfreuen. Aus ihrem Dorf Santa Fe de la Segarra schickt Carmen Balcells mir Woche für Woche einen übertriebenen Strauß Blumen, den ich ebenfalls aus Willies Reichweite verschwinden lassen muß. Meine Agentin ist spendabel wie die Ritter des alten spanischen Weltreichs. Einmal schenkte sie mir einen Koffer voll magischer Schokoladentäfelchen: Auch zwei Jahre später tauchen noch welche davon in meinen Schuhen oder einer meiner Handtaschen auf; sie vermehren sich auf geheimnisvolle Weise im Dunklen.
Von Mai bis September heizen wir unseren Pool auf Suppentemperatur, und das Haus füllt sich mit eigenen und fremden Kindern, die sich aus dem Nichts materialisieren, und mit Besuchern, die unangemeldet wie der Briefträger vor der Tür stehen. Dann sind wir weniger eine Familie als ein Dorf. Berge feuchter Handtücher, verwaiste Badeschlappen, Plastikspielzeug; Obstpyramiden, Keksteller, verschiedene Käse und Salate auf dem großen Tisch in der Küche; Rauch und Fett von den Grillrosten, auf denen Willie die Filets, Rippchen, Hacksteaks und Würstchen tanzen läßt. Überfluß und Radau gleichen dieZurückgezogenheit der Wintermonate aus, die Einsamkeit und Stille, die unantastbare Zeit des Schreibens. Der Sommer gehört den Frauen: Wir kommen im Garten zusammen, zwischen den verschwenderischen Blumen und den Bienen in ihren gelbgestreiften Trikots, bräunen uns die Beine und haben ein Auge auf die Kinder, kommen in der Küche zusammen und probieren neue Rezepte aus, kommen im Wohnzimmer zusammen und lackieren uns die Zehennägel oder tauschen in speziellen Treffen mit Freundinnen Kleider aus. Meine Garderobe stammt fast ausnahmslos von Lea, einer einfallsreichen Designerin, die alles schräg schneidet und lang, so daß es sich nach Bedarf dehnen und raffen läßt und von einer Schar Freundinnen unterschiedlichster Größe getragen werden kann, sogar von Lori mit ihrer Mannequinfigur, nachdem sie schließlich das in New York unvermeidliche Schwarz in Schwarz gegen die Farben von Kalifornien eingetauscht hat. Selbst Andrea zieht meine Sachen an, wenn auch niemals Nicole, die für Kleidung ein unerbittliches Auge besitzt. In die Sommermonate fallen die Geburtstage der halben Familie und vieler naher Freunde und
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