Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
kam, musste sie ihren Kopf in den Nacken legen und wurde
durch einen stechenden Schmerz im Genick schnell wieder an den gestrigen Unfall
erinnert, doch ihr Stolz verbot ihr, sich das unangenehme Ziehen anmerken zu
lassen und so versuchte sie sich wieder angesichts des Mannes, der ihr Vater
sein sollte, zu fassen, um keine Schwäche zu zeigen.
„Sieh
dich an. Du siehst aus wie deine Mutter!“, entgegnete er auf halbem Weg mit
einem herzhaften Lachen. Dies entlockte selbst Serena ein kleines Lächeln.
Oftmals
hatte sie sich den Herrscher des Olymps vorgestellt, wenn sie den großen Tempel
mit der goldenen Statue des Gottes aufsuchte. Sie dachte dabei immer an einen
griesgrämigen alten Mann, der keine Miene verzog. In seinem Gesicht, eine
Strenge, die auch jedes Abbild von ihm wiederspiegelte, doch die Realität
entsprach dem nicht.
Als
Serena wieder kurz davorstand, in ihre kleine Gedankenwelt abzudriften, wurde
sie schnell von Athene zurückgeholt, die neben sie trat.
„Zu
verstehen fällt ihr noch schwer, aber ich bin mir sicher, dass sie schon bald
akzeptieren wird“, entfuhr es der Göttin fast schon flüsternd als sie zu Zeus
aufsah, dessen Blicke noch immer von Serena gefesselt wurden.
Das
Medaillon fest mit ihrer rechten Hand umklammert, erhob sie nun ihre Stimme.
„Verzeiht,
I-Ich kann nach allem nicht ganz glauben, dass ich eine Halbgöttin sein soll …“
Schnell verstummte sie, als sie in die nachdenklichen Augen ihres Vaters
blickte.
„Ich
erwarte nicht, dass du mich gleich als Vater anerkennst oder du mir verzeihst,
dass ich all die Jahre nicht an deiner Seite stand. Du hast alle Zeit, die du
brauchst, dich an diesen Ort und an uns zu gewöhnen, doch möchte ich, dass du
weißt, dass ich dich nie aufgegeben habe und mir wirklich gewünscht hätte, dass
dein bisheriges Leben anders verlaufen wäre“, erwiderte er plötzlich mit einem
sanften Ton, der sie völlig aus der Bahn warf.
Nun
wollte Serena aufs Ganze gehen. Sie wollte genau wissen, warum er sie erst
jetzt gerettet hatte und das wollte sie aus seinem eigenen Mund hören.
In ihrem Kopf stellte sie bereits eine ausgefeilte Frage zusammen, doch alles
was sie über die Lippen brachte, war ein gestottertes „Wieso?“
„Ich
hätte dich so gerne auf den Olymp geholt, dorthin, wo du hingehörst, aber …“
Seine Stimme brach und verfing sich in eisernem Schweigen.
Serena
blickte fragend in die strahlenden Augen ihres leiblichen Vaters, der nicht zu
wissen schien, wie er seiner wiedergefundenen Tochter seine Gefühle erklären
konnte. Zu seiner Erleichterung sprang Athene aufklärend für den Herrscher ein:
„Du bist eine Halbgöttin Serena. Viele würden dein Blut als unrein betrachten,
weder sterblich, noch göttlich. Noch dazu bist du eine junge Frau, dein Leben
wäre in unserer Welt also nicht sicher. Wir dachten, es wäre besser für dich,
wenn du in Athen unter Sterblichen aufwächst. Aber dir fiel es aufgrund deiner
Vorgeschichte schwer, dich anzupassen und wir verloren nach dem Tod deiner
Mutter den Kontakt zu dir. Das Medaillon sollte uns helfen, auf dich acht zu
geben, doch wir konnten es nicht und nun …“ Athene stockte und sah zu ihrem
Vater auf.
„Ich
habe so gehofft, dass ich dir das nicht antun muss!“, fuhr er mit leiser
werdender Stimme fort.
Wieder
wandte Serena sich ab. Sie wollte wütend sein, aufgebracht, enttäuscht, doch
alles was sie empfand war Verständnis. Sie sah in die Augen eines fremden
Mannes und wusste gleich, dass er sie nicht anlog, dass ihm die Entscheidung,
sie in die Obhut anderer Leute geben zu müssen, ebenso schwer fiel, wie es für
sie jeden einzelnen Tag war, doch nun stand sie hier, in einer fremden Gegend,
an einem fremden Ort, bei ihr fremden Personen. Eine Halbgöttin auf dem Olymp,
das hatte es wahrlich noch nie gegeben, in keiner der vielen Geschichten, die
Timaios immer erzählt hatte wenn sie krank im Bett lag oder an trüben Tagen in
der steinernen Hütte bleiben musste, weil der Regen die Wege überflutet hatte.
Es
waren die Legenden von großen mutigen Kriegern und Abenteurern wie Perseus und
Herakles, die nach großen Taten auf dem Olymp aufgenommen wurden. Aber nie in
der Geschichte war es eine Frau, die Wahrhaftiges vollbracht hatte. Wie sollte
sie also in einer Welt überleben, die noch weitaus gefährlicher war als die der
Sterblichen?
„Was
muss ich tun?“, durchbrach Serenas zierliche Stimme plötzlich die eiserne
Stille, die eingekehrt war. Sie schien voller
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