Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
derselben Nacht seinen Tod wie sie und viele andere!“,
fuhr Serena fort und atmete nun erleichtert auf.
„Er
war nicht dein Vater …“, erwiderte die Frau nach einer kurzen Pause flüsternd
und sah kurz aus dem Fenster als wolle sie den Moment, in dem Serenas Blicke
entgleisen würden, ausweichen wollen. Diese hielt inne und starrte ihr
Gegenüber fragend an.
„W-Was
habt ihr gesagt?“ Ihre Lippen bebten vor Erregung als sie die geflüsterten
Wörter vernahm. Natürlich verstand sie sie ganz genau, dennoch war ihr das
Entsetzen deutlich ins Gesicht geschrieben. Sie wusste nicht was sie sagen sollte,
wie sie sich verhalten sollte, wo sie hinsehen sollte, alles war in diesem
Augenblick vergessen.
Die
Fremde sah sie wieder an. Das Lächeln in ihrem Gesicht war längst wieder
verschwunden, stattdessen glänzten ihre haselnussbraunen Augen und darin konnte
Serena deutlich Mitgefühl erkennen.
„Er
war nicht dein Vater und das wissen wir beide!“, entfuhr es der jungen Frau nun
deutlicher als sie tief durchatmete.
Serena
hielt inne. Ihre Blicke erstarrten noch bevor die Fremde ausgeatmet hatte. Auch
beim zweiten Anlauf blieb ihr die Luft weg. Wieder wusste sie nicht, wie sie
auf diese Äußerung reagieren sollte und hüllte sich in eiserne Stille. Sie
wagte es nicht, ein weiteres Wort der Respektlosigkeit an sie zu richten, denn
irgendwas und dessen war sie sich nun bewusst, stimmte nicht mit ihr.
„Tut
mir leid“, fügte die Fremde hinzu, ehe sie wieder zum Fenster hinausblickte und
Serena einen unbeobachteten Moment schenkte, in dem sie sich fassen konnte um
ihre taffe Fassade wieder zu errichten, doch es gelang ihr nicht. Ihre Fassade
bröckelte. Serenas Stirn legte sich wieder in Falten. Ihre vor Entrüstung weitaufgerissenen
Augen zogen sich wieder zu schmalen Schlitzen zusammen und ihre Zähne verbissen
sich in ihren Lippen, bis sich das Blut durch die dünne Haut drückte und jeden
Moment hinaus zu brechen drohte.
Langsam
wandte auch sie sich zum Fenster um und blickte ebenfalls nach draußen.
Sie
war irritiert, durcheinander, völlig verwirrt. Woher wusste diese Frau, dass
der Mann, der sie jahrelang aufzog, nicht ihr leiblicher Vater war? Sie hatte
niemandem je davon erzählt, sie hatte es selbst sogar verdrängt. Niemand konnte
das wissen, nur Hermokrates, der ein enger Freund ihres Vaters war. Aber
dieser hatte sicherlich nichts mit der Fremden zu tun.
War
also an ihren Worten vielleicht doch etwas dran? War sie hier wirklich an einem
Ort, der für die meisten Menschen eine einfache Vorstellung bleiben würde?
Einem Ort, dessen bevölkernde Existenz weit über ihrer stand und die tagtäglich
aus der Ferne die Menschen und ihre Taten beobachteten?
„Ich
weiß, dass das schwer zu glauben ist. Ich kann gut verstehen, dass dir das
alles …“
„Nein
könnt ihr nicht!“, fiel Serena ihr prompt ins Wort und drehte sich aufgebracht
um.
In
ihren Blicken lag die Verzweiflung, die ihr ganzes Gemüt aufwühlte.
Sie
wusste nicht mehr, was sie denken oder glauben sollte, das erkannte auch die
Frau und legte ihren Kopf nachdenklich zur Seite.
„In
einem Moment bin ich in Athen, flüchte vor dutzenden Wachen, die mir nach dem
Leben trachten und dann … falle ich in ein Loch und spüre die endlose Leere,
die meinen Verstand umschließt. Ich war der festen Überzeugung es wäre vorbei,
ich würde sterben und nun … bin ich hier, auf dem Olymp, bei einer Frau, die
mir Dinge erzählt, die niemand außer mir wissen kann! Ich bezweifle, dass ihr
das nachvollziehen könnt!“
Serena
schlug ihre Hände über dem Kopf zusammen und atmete tief durch. So viele
Gedanken kreisten um sie herum. Fragen auf die sie keine Antwort wusste.
Vermutungen, die keinen Zusammenhang bildeten. Sorgen, für die sie keinen Trost
fand.
Angespannt
vor Aufregung, ließ Serena sich schließlich auf das Bett sinken und vergrub
ihre zitternden Hände in ihrem Schoß. Die Fremde schien sie in diesem Moment
nicht weiter zu kümmern, denn sie war verloren in den tiefen Fängen ihrer
Erinnerungen.
Natürlich
kannte sie ihr Gesicht. Jeden Tag hatte sie es gesehen, oftmals mit Helm,
Brustpanzer und Speer. Von kleinen Amphoren, über die goldenen Wappen an den
Umhängen der Athener Wachen bis hin zu der bronzenen Statue im großen Tempel
der Athene.
Im
Unterbewusstsein hatte sich das Gesicht der jungen Frau in ihr Gedächtnis
eingebrannt und erst jetzt konnte sie glauben, dass sie der Göttin, die sie
jeden Tag vor Augen hatte,
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