Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
kantiges Gesicht erschien Serena bereits von weitem sehr
streng und der gestutzte Vollbart umrandete dieses Bild, doch offensichtlicher
war der braungebrannte freie Oberkörper des Mannes, der sie schlucken ließ. Nur
ein knappes blaues Seidengewand, das eher einem Tuch glich, schlang sich um
seine Hüfte und bedeckte so wenigstens einen Teil seines Körpers.
Serena
legte ihren Kopf fragend zur Seite, während er auf die beiden zu stolziert kam,
als wäre er der Herrscher über den Olymp.
Schnell
kam ihr die Gewissheit, dass es sich bei dem Fremden, der scheinbar sogar seine
Sandalen unterwegs verloren hatte, um Zeus‘ älteren Bruder Poseidon handelte.
Der gleiche Blick, der gleiche leere Gesichtsausdruck und ebenso der gleiche
Stolz, doch erst als er näher kam, sah sie seine ozeanblauen Augen, die sie
aufs Genauste musterten.
Ein
unangenehmes Gefühl breitete sich in ihr aus. Sie hasste es, wenn man sie so
ansah und sie wie angewurzelt dastand und darauf wartete, dass der peinliche
Moment endlich vorüber ging.
Sie
versuchte seinen Blicken auszuweichen und starrte auf den Boden, doch noch
immer spürte sie, wie diese an ihr klebten. Mit einem Mal wurde ihr übel und
sie befürchtete, dass ihr das Essen wieder hochkommen würde, was sie nur mit
viel Disziplin unterdrücken konnte.
Sie
wollte ihren Vater stolz machen, also sammelte sie all ihre Gedanken und sah
wieder zu ihm auf.
Noch
ehe sie sich versah, stand der Mann, der locker eineinhalb Köpfe größer war als
sie, bereits vor ihr und sah mit seinen tiefblauen Augen auf sie herab. Nur mit
Mühe konnte sie verhindern, dass ihre Knie unter seinen strengen Blicken
anfingen zu zittern. Die Nackenhaare stellten sich ihr auf, als sie verzweifelt
nach den richtigen Worten suchte, doch ihr Mund blieb stumm.
„Poseidon
… Wo hast du dich denn rumgetrieben?“, fragte Athene schließlich mit einem
starken Unterton in der Stimme.
Ihre
Arme vor der Brust verschränkt, zuckte der Zeigefinger ihrer rechten Hand unruhig
auf dem linken Arm. Sie war keines Wegs ein Freund der Unpünktlichkeit, das
spürte auch Serena, sowie ihr Gegenüber, der sich mit einem herzhaften Lachen
zu ihr umdrehte.
Die
junge Halbgöttin zog ihren Verband, den sie sich heute Früh um ihren Arm gelegt
hatte, hinter ihrem Rücken zurecht und sah zwischen den beiden Göttern hin und
her.
„Verzeih
Athene, ich habe mich nur an alte Zeiten erinnert. So wie immer, wenn ich durch
die Gänge dieses Palastes wandere.“ Seine Stimme empfand Serena als zynisch und
selbst sein Lachen konnte diesen ersten Eindruck nicht bessern. Auch als seine
tiefblauen Augen erneut an ihr hängen blieben, konnte sie sich nicht überwinden,
ein Lächeln über die Lippen zu bringen, denn irgendetwas kam ihr gleich seltsam
vor.
Athene
und Poseidon waren sichtlich zurückhaltend. Keiner der beiden schien sich zu
freuen, dem jeweils anderen gegenüberzustehen, doch vielleicht war es auch nur
ihre eigene Meinung. Vielleicht war dieses Verhalten auf dem Olymp normal.
„Du
bist wohl die neue Tochter meines Bruders!“, entfuhr es ihm dann leicht
zögernd. Wieder starrte er sie mit einem Blick an, der seine Stirn in Falten
legte und ihr die Nackenhaare zu Berge stehen ließ, doch sie stand nicht hier,
um sich einschüchtern zu lassen. Er war vielleicht einer der höchsten und
mächtigsten Götter im Olymp, aber sie hatte sich nicht auf den Straßen von
Athen durchs Leben gekämpft, hatte sich mit sämtlichen Wachen und Soldaten der
Stadt angelegt und jede Nacht in den dreckigen Laken einer Scheune verbracht,
um sich nun wie ein Hund in seinem Loch zu verkriechen, dennoch klang dies in
der Theorie einfacher als in der Praxis.
Vom
spitzen Ellenbogen ihrer Schwester gestoßen, wurde sie aus ihren Gedanken
gerissen und fand sich schnell in einer für sie unangenehmen Situation wieder.
Poseidon
und Athene schauten sie sichtlich irritiert an und versuchten sie wachzurütteln.
Abrupt
schüttelte Serena den Kopf, um wieder einen klaren Gedanken zu fassen.
Instinktiv
verbeugte sie sich kurz mit einem leicht gespielten Lächeln und unterwarf sich
so der Anwesenheit eines so mächtigen Gottes.
„Verzeiht,
ich war in Gedanken … J-Ja mein Name ist Serena …“
„Mein
Bruder hat mir schon von dir berichtet. Allerdings erzählte er mir nicht mit
welch einer Schönheit wir es hier zu tun haben“, fiel er ihr plötzlich ins Wort
und verschränkte seine Arme vor seiner Brust. Seine weißen Zähne blitzten unter
seinem
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