Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
doch, du verkriechst dich nicht zu sehr in den Büchern, sonst sehen wir
dich vielleicht überhaupt nicht mehr.“
„Nein
Vater, dafür sorge ich schon“, erwiderte sie lächelnd und schaute kurz aus dem
Fenster.
Ihre
Zunge hatte sich verknotet, nachdem das Wort ‚ Vater‘ über ihre Lippen
glitt. Es klang seltsam in ihren Ohren, doch nicht falsch, einfach nur
gewöhnungsbedürftig. Und jetzt wurde ihr bewusst, dass sie sich komplett
umstellen musste. Auf dem Olymp konnte sie sich nicht genauso benehmen wie in
Athen, schon gar nicht, wenn sie Zeus eine gute Tochter sein und eine akzeptable
Halbgöttin abgeben wollte.
„Wie
geht es eigentlich Amphitrite? Sie hat uns schon lange nicht mehr mit ihrer
Schönheit beehrt!“, fuhr Athene nun fort und wandte sich wieder Poseidon zu,
der Serena noch immer verdächtig musterte. Diese ging den Blicken des Gottes jedoch
gekonnt aus dem Weg und sah zu ihrer Schwester auf.
„Ihr
geht es blendend. Triton ist zurzeit in unserem Palast und sorgt wie üblich für
einigen Ärger. Aber sie wird bei der nächsten Feier sicherlich an meiner Seite
sein.“
Während
die junge Halbgöttin langsam in ihre Gedankenwelt versank und die Gespräche der
Dreien immer mehr im Hintergrund verstummten, wippte sie, ohne es zu bemerken,
leicht hin und her und beschäftigte sich mit einigen Fragen, die ihr keine Ruhe
ließen.
Sie
hatte viel über die Wesen der Tiefe gelesen, unter anderem auch über
Hippocampi, die den göttlichen Wagen des Poseidon zogen. Den Vorderkörper eines
Pferdes und den Schwanz eines Fisches. Flinke und sehr zutrauliche Wesen, die
durch ihre eigene Körperkraft ganze Schiffe auf ihren kräftigen Rücken tragen
könnten, so hieß es, doch sie konnte sich kein Bild von diesen faszinierenden
Wesen machen, konnte sich nicht zusammenreimen, wie eine Mischung aus Pferd und
Fisch aussehen sollte, doch sie konnte sich vor dem heutigen Tag auch nicht
vorstellen, dass es brennende Pferde geben würde.
Ein
weiteres Rätsel war die Beziehung zwischen Athene und Poseidon. Die Eiseskälte,
die sich zwischen den beiden befand, war unverkennbar, doch was war
vorgefallen, was die beiden Götter so entfremdet hatte? Auch zu Zeus schien
Poseidon kein reines Verhältnis zu haben. Lag es also vielleicht an ihm? War
dies möglicherweise sogar der Grund, dass er, trotz dessen er ein olympischer
Gott war, nicht auch auf diesem lebte?
Nachdenklich
legte sie ihren Kopf zur Seite und musterte Poseidon, doch Athene ließ sie auch
dieses Mal nicht lange in ihrer Gedankenwelt. Erneut wurde sie vom Stich eines
Ellenbogens, der sich den Weg in ihren Bauch gesucht hatte, in die Realität zurückgeholt
und schaute dann in die fragenden Gesichter der Umstehenden.
„Hast
du mir zugehört?“, sprach Zeus mit starker Stimme, die Serena zusammenfahren ließ.
„Verzeiht,
Ich war in Gedanken …“, entgegnete sie unterwürfig und richtete ihre Blicke gen
Boden.
„Ich
möchte, dass du in meine Gemächer gehst und dort eine Schriftrolle holst, die
auf dem Tisch liegt!“, wiederholte er ungeduldig und schickte sie raus.
Gehorsam
folgte sie der Anweisung ihres Vaters und ohne weitere Fragen zu stellen,
verließ sie den Saal durch die großen Türen. Sie wusste wo die Gemächer ihres
Vaters waren, jedoch hatte sie nie gewagt, diese zu betreten. Es war eine
Tabuzone für sie. Aus diesem Grund empfand sie es auf dem Weg dorthin auch als
eigenartig, dass Zeus gerade sie hinschickte.
Als
sie den langen freien Korridor durchquerte, konnte sie es einfach nicht unterlassen,
noch einmal auf den großen Festplatz zu schauen. Sie wollte noch einmal die
majestätischen brennenden Pferde sehen, die sie so sehr faszinierten und
gleichzeitig so einschüchterten, doch als sie sich über die Balustrade lehnte
und den riesigen Platz nach dem goldenen Wagen und den brennenden Rössern
absuchte, musste sie feststellen, dass er leer war. Er war nicht mehr da, wie
vom Erdboden verschluckt, als hätte er nie existiert.
Serena
schüttelte kurz ungläubig den Kopf und stellte sich nur für den Hauch einer
Sekunde die Frage, ob sie sich das alles nur eingebildet hatte, doch sie hatte
keine Zeit darüber nachzudenken.
Als
sie vor der großen goldenen Tür zu Zeus‘ Gemächern ankam, hielt sie kurz inne.
Ihr gingen die vielen Fragen nicht mehr aus dem Kopf, jedoch konnte sie diese
wohl kaum ihrem Vater oder Athene stellen. Sie hatten sicherlich ihre Gründe,
weshalb man sie weggeschickt hatte, da würden sie ihr wohl
Weitere Kostenlose Bücher