Das Siegel des Olymps (Im Bann des Schicksals) (German Edition)
gewesen.
Stundenlang
harrte sie vor dem Fenster aus, wissend, dass im Fall der Fälle, ein Messer,
das sie vor einigen Tagen aus der Küche hatte mitgehen lassen, stets
griffbereit unter ihrem Kopfkissen lag. Zeus würde dies niemals billigen, von
daher wusste weder er noch Athene irgendetwas davon, doch die scharfe Klinge
gab ihr Sicherheit, besonders in einer Zeit wie dieser, in der sich die sonst
so taffe Halbgöttin machtlos fühlte.
Erst
als die ersten Sonnenstrahlen am Rande des Okeanos den Himmel in ein warmes orange
tauchten und der Welt somit das Licht und ihre Farben zurückgaben, löste sich
der Knoten in ihrem Hals und auch die Müdigkeit, die von Zeit zu Zeit drohte,
sie wieder nieder zu zwingen, wich der Erleichterung, dass eine weitere
Finsternis hinter ihr lag.
Doch
auch das trostspendende Licht der Sonne konnte die quälenden Gedanken der
vergangenen Nacht nicht mildern, denn noch immer spukten die Wörter der
seltsamen Stimme in ihrem Kopf umher. War es möglicherweise eine Drohung oder
gar eine Warnung? – Aber vor was?
Unmöglich
– Es war ein einfacher Traum. Morpheus zerrte von ihrer Angst. Er wurde durch
sie stark und sie wollte ihm keine Stärkung bieten. Neben Hades erfreute sich
der Gott der Träume keiner großen Beliebtheit bei ihr und auch bei anderen,
doch das war ihnen Recht, denn ihre Macht wuchs, wenn Menschen sich fürchteten,
dies war ihr Lebenselixier, wie die Gebete und der Glaube der Sterblichen, das
der anderen Götter war, doch gerade in kalten Nächten wie dieser standen die
Menschen ohne jeglichen Schutz da und auch der Glaube konnte ihnen nicht einen
grausamen Tod ersparen. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis die Macht von
Morpheus ins Unermessliche steigen würde und die Angst größer war als die
Hoffnung. Welches Schicksal den Göttern dann bevor stand, brauchte man nicht zu
erwähnen, jeder von ihnen wusste es genau, denn Angst und Schrecken zu
verbreiten war leichter als Glaube und Hoffnung in den Köpfen der eigenwilligen
Sterblichen zu manifestieren.
Ein
entferntes Rascheln holte sie schnell in die Realität zurück.
In
der eintretenden Morgendämmerung sah sie hinunter auf den Festplatz, doch dort
erblickte sie nichts. Nur wenige Augenblicke später vernahm sie das leise
Geräusch, das wie Blätterrascheln klang, erneut. Unweigerlich sah sie zu den
Bäumen in der Ferne. In der Hoffnung, den Auslöser zu finden, petzte sie sogar
ihre Augen zusammen, um in der Dunkelheit etwas erkennen zu können, doch auch
dort fand sie keine Spur.
Erst
als sie weiter nach unten blickte, zu der abfallenden Böschung, die hinunter
zum See und dem kleinen Wald führte, sah sie etwas aus einem Gebüsch kommen.
Eine schwarze Gestalt, die auf allen Vieren herauskroch. Unweigerlich musste
Serena an den Schatten in ihrem Zimmer denken und fuhr zusammen, doch als sie
die leuchtenden jadegrünen Augen im schwachen Licht zu ihr aufblitzen sah,
wusste sie, dass es sich bei dieser Gestalt um ihre Halbschwester Artemis handelte.
Es
wunderte sie nicht einmal, dass sie so früh am Morgen im Gestrüpp umher
wanderte.
Aus
den Geschichten über die jungfräuliche Göttin ging nicht nur hervor, dass sie
Männer verachtete, weil sie diese für das Leiden der Frauen verantwortlich
machte, sondern auch, dass sie oftmals tagelang mit ihren Nymphen in den Wäldern
verschwand, ohne, dass ein anderer Gott, nicht einmal ihr Zwillingsbruder Apollon
wusste, wo sie sich befand oder wann sie wieder kam.
Die
strenge Göttin fühlte sich sehr verbunden mit der Natur und den Tieren und schien
deren Gegenwart den übrigen Olympiern vorzuziehen.
Ein
zischendes Geräusch stieß sie aus ihrer Kehle, das wie das Züngeln einer
Schlange klang.
Vorsichtig
kam sie dabei einen weiteren Schritt aus der Dunkelheit und schaute zu Serena
auf, die fragend in die Tiefe blickte. Eine hektische Handbewegung gab ihr zu
verstehen, dass sie zu ihr runter kommen sollte und zwar so, dass sie jemand
sehen würde.
Die
junge Halbgöttin wusste nicht wieso, doch sie verspürte den Drang dem lockenden
Ruf ihrer wilden Schwester zu folgen und ohne einen weiteren Augenblick des
Zweifels zu verschwenden, schwang sie sich über den Fenstersims hinweg und
hangelte sich an der steinigen Außenmauer bis zur ersten großen Marmorsäule
herunter und ließ sich von dort auf das Dach des großen seitlich offenen
Korridors fallen.
Es
hatte einiges an Übung gekostet, sich so schnell aus solch einer Höhe zum Boden
vorzuarbeiten
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