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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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bei seinem sonntäglichen Hühnerbraten saß, um ihm von dem Wunder zu berichten. Er war über diese Störung nicht erfreut und wollte den Eltern keinen Glauben schenken.«
    »Was nicht weiter verwundert«, warf Bruder Rupert ein und strich sich über seine Narbe am Hals. Der Pater schenkte ihm einen kalten Blick, fuhr aber fort: »Der Stadtrichter sagte: ›Eher wachsen Hahn und Henne hier auf meinem Teller wieder Flügel, als dass Domingo diesen Dieb am Leben erhalten hat.« Nun, er muss sehr erstaunt gewesen sein, als sein Braten nach diesen Worten durch das Fenster davonflog. Sogleich ließ er den Jüngling vom Galgen losbinden und die Magd statt seiner hängen. Und seit dieser Zeit gibt es einen Käfig mit Hahn und Henne in der Kirche.«
    »Welch wunderliche Geschichte«, sagte Juliana und strich mit den Fingern über die Federspitzen, die die Henne an die Gitterstäbe
drückte. Sie nahm ein Stück Brot aus dem Rucksack und streute ein paar Krumen in den Stall, die sofort unter aufgeregtem Gegacker aufgepickt wurden.
    »Ja, wunderlich«, stimmte ihr Bruder Rupert zu, »aber nicht einzigartig. Ich habe das Gleiche schon aus Toulouse gehört. Dort hat der heilige Jakobus den Jüngling vom Galgen errettet. Wer weiß, wie viel Federvieh von unseren Heiligen aus der Bratpfanne erlöst wurde?«
    »Spottet nicht!«, fuhr ihn Pater Bertran an und fuchtelte mit seinem knochigen Finger durch die Luft. »Ist Euch denn nichts heilig? Wollt Ihr Gott und seine Apostel lästern?«
    Der Bettelmönch verneigte sich. »Aber nein, das würde mir nicht in den Sinn kommen. Ich glaube nur nicht alle Geschichten, die von Mund zu Mund getragen werden. Auch wenn sie sich vortrefflich erzählen lassen und den Ruhm eines Heiligen vergrößern.«
    Draußen trafen sie Ritter de Crest wieder. Obwohl der Tag noch nicht weit fortgeschritten war, verlangte er nach einer Erfrischung. Er nahm den Hut ab und strich sich durch das staubverkrustete Haar, dessen Blond nun eher rötlich erschien.
    »Zu dieser Stunde werdet Ihr in der Pilgerherberge kaum etwas bekommen«, sagte Pater Bertran kühl.
    »Das ist mir egal«, murrte der Ritter und starrte den Augustiner finster an. »Dann gehe ich in die Taverne dort drüben. Meine Kehle verlangt nach Wein!« Er wandte sich ab und ging zielstrebig auf eine offene Tür zu, über der ein verwittertes Schild an einer Kette leise knarrend hin- und herschaukelte. Die anderen sahen ihm nach.
    »Einen Becher guten Wein würde ich auch gerne trinken«, sagte André mit Sehnsucht in der Stimme. »Ach, wenn ich an die Weine denke, die der Oheim auf Wildenstein auszuschenken pflegte«, er schnalzte mit der Zunge, »dann wird mir ganz weh ums Herz. Ich habe die Leute hier reden hören, dass der Wein aus Rioja zu sündigen es wert wäre.« Er seufzte. »Es ist
zu schade, aber ich fürchte, ich muss meine letzten Münzen zusammenhalten. Wer weiß, was uns noch erwartet.«
    Pater Bertrans Lippen wurden noch schmaler als sonst. Sein Gesicht erinnerte an einen Totenschädel »Sind wir hier auf einer Pilgerfahrt, um Buße zu tun und Vergebung zu erlangen, oder soll das ein Saufgelage werden?«
    Ich bin nicht auf Pilgerfahrt!, wehrte sich Juliana in Gedanken. Ich bin auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, warum mein Vater zum Sünder wurde. Ich brauche den Apostel nicht! Sie spürte den durchdringenden Blick des Augustiners über sich gleiten und sah errötend zu Boden. Niemand war ohne Schuld und konnte auf die göttliche Gnade verzichten.
    »Ich bekomme fast den Eindruck, als wandere jemand an meiner Seite, der sich einbildet, über Sünde und Schuld erhaben zu sein. Möge ihn Gottes Zorn für seinen Hochmut treffen!«
    Widerstand wallte in Juliana auf, sie sah hoch und wollte dem alten Mönch ihre Verteidigung ins Gesicht schleudern, als sie merkte, dass er nicht sie ansah, sondern André, aus dem seine fröhliche Lebhaftigkeit wieder einmal gewichen war. Er schrumpfte geradezu unter dem anklagenden Blick des Paters.
    »Ich werde mir die Stadt ein wenig ansehen«, sagte Bruder Rupert und reckte seine kräftigen Arme. Er gähnte herzhaft und kratzte sich den Bart, in dem noch ein paar Essensreste klebten. »Es ist ermüdend, hier herumzustehen und auf den Herrn Ritter zu warten.« Er drehte sich um und stapfte davon.
    »Wollen wir mitgehen?«, forderte das Mädchen André auf, doch er schüttelte nur den Kopf, ohne sie anzusehen. Juliana schwankte zwischen Mitleid und Zorn. Warum ließ er sich von Pater Bertran so

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