Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
hoffnungsvoll. Ihre Wangen, gerade noch von der Anstrengung des Aufstiegs und dem kühlen Wind gerötet, wurden plötzlich blass.
Der Bettelmönch blieb an ihrer Seite stehen. »Ich kann den Wind hören, ja«, sagte er ernst, »zwischen den Rufen der Wölfe ist er deutlich zu vernehmen.«
»Es sind zwei Rudel«, bestätigte André. »Zum Glück ist es erst kurz nach Mittag. Sie gehen nicht vor der Dämmerung auf Jagd. Dann möchte ich hier nicht mehr sein.«
»Ach, haben die jungen Helden Angst vor ein paar räudigen Wölfen?« Raymond de Crest grinste verächtlich. »Macht euch nur nicht die Kittel nass.«
»Es ist kein Fehler, Gefahr zu meiden«, widersprach der Bettelmönch. »Und es spricht von Klugheit, wenn man sich ihr nicht gedankenlos aussetzt. Warum sinnlos sterben? Hat Gott uns dafür erschaffen? Er wird uns zürnen, wenn wir sein Geschenk leichtfertig wegwerfen.«
»Schöne Predigt, Mönch«, sagte Raymond de Crest. »Ihr Kirchenleute könnt leicht von Friedfertigkeit reden, solange ihr euch hinter den Schwertern der Ritterschaft verstecken könnt, die Eure Haut beschützen. Von einem wie Euch, der noch nie ein Schwert in der Hand gehalten hat, fordere ich als Ritter Dankbarkeit und Respekt!«
Die Männer maßen sich mit Blicken, ohne dass einer der beiden bereit gewesen wäre, den seinen zu senken. Juliana sah die Kiefer des Mönchs mahlen. Er spannte seine kräftigen Arme an und ballte die Hände zu Fäusten, dann plötzlich wandte er sich ab und schritt wortlos weiter.
Seines Gegners beraubt fuhr Raymond de Crest André an: »Und du Bursche wirst uns auch keine Hilfe sein mit deiner leeren Scheide an der Seite. Haben wir nicht genug Orte durchquert, in denen du dir ein neues Schwert hättest besorgen können?«
Vielleicht hätte er seine schlechte Laune noch weiter über dem jungen Mann ausgeschüttet, doch ein Donnergrollen ließ die fünf Reisenden zum Himmel aufsehen.
»Lasst uns zusehen, dass wir den Wald erreichen, bevor das Wetter über uns hereinbricht«, drängte Bruder Rupert, und keinem war anscheinend nach Widerspruch zumute. Mit strammem Schritt ging er den Pilgern voran auf die Kiefern zu, die über einem tief eingeschnittenen Bachbett vor ihnen aufragten. Juliana schlitterte den steilen Berg hinunter, sprang über den Bach und eilte hinter den Männern den anderen Hang wieder hinauf. Ihr Herz raste, ihr Atem kam stoßweise aus dem offenen Mund. Schweiß rann ihr trotz des kalten Windes über den Rücken. Immer wieder fanden ihre Sohlen keinen Halt in dem schmierigen Morast.
Noch bevor die fünf Wanderer den schützenden Wald erreichten, brach der Gewittersturm über sie herein. Hagelkörner prasselten auf sie herab. Der Himmel war nun so dunkel, als wäre der Tag bereits vorüber. Nur die Blitze tauchten die Kiefern vor ihnen für kurze Momente in grelles Licht. Sie liefen und stolperten weiter, bis sie sich unter die Zweige der ersten, eng zusammenstehenden Baumgruppe flüchten konnten. Ganz in der Nähe fuhr der Blitz in eine einzeln stehende Eiche. Der Feuerstrahl spaltete den Stamm bis zum Grund. Die eine Hälfte des Baumes krachte zu Boden, auf der anderen begannen Flammen zu tanzen, bis der Regen sie in Qualm erstickte.
»Das Jüngste Gericht«, murmelte Pater Bertran und bekreuzigte sich.
»Unsinn! Ein Unwetter, weiter nichts. Wenn es so tobt, dann wird es bald vorüber sein«, widersprach der Bettelmönch.
Sie traten aus dem Schatten der Bäume. Keiner der Wanderer hatte sie gehört oder gesehen, bevor sie auf den Weg hinaussprangen – vor, hinter und zu beiden Seiten neben ihnen: sechs Männer mit Knüppeln und scharfen Klingen bewaffnet. Einer trug eine blutige Binde über dem rechten Auge. Sie alle waren in schmutzige Gewänder gehüllt, die nicht viel mehr als Fetzen waren. Ein Blick in ihre Gesichter jedoch ließ keinen Zweifel daran, dass sie nicht freundlich um ein Stück Brot bitten würden.
»¡Poned todas las bolsas y armas aquí!«, brüllte der bärtige Kerl, der breitbeinig vor ihnen auf dem Weg stand, und deutete auf den Boden vor sich. Auch ohne seine Worte zu verstehen, war Juliana ihre Bedeutung klar. Sie griff nach ihrer Tasche und sah unsicher zu den beiden Mönchen und Ritter Raymond hin über, die einige Schritte von ihr entfernt standen.
»Pater, sagt diesen Bastarden, dass wir gar nicht daran denken, ihnen auch nur einen Kanten altes Brot zu gönnen!« Ritter Raymond zog sein Schwert.
Es war nicht nötig, dass der Augustiner übersetzte.
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