Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
gerettet.«
»Ja schon«, gab das Mädchen in ungeduldigem Ton zu, ohne zu erwähnen, dass auch sie ohne das Eingreifen des Bettelmönchs nicht mehr am Leben wäre. »Ich sage ja nicht, dass er ein schlechter Mensch ist, und dennoch verhält er sich manches Mal abstoßend.«
»Es ist auch abstoßend, mit Erbrochenem besudelt zu werden« , sagte André mit einem verzerrten Lächeln. »Daher rate ich dir, dich lieber zu den anderen zu gesellen.«
Da in diesem Moment der Novize mit einem älteren, glatzköpfigen Mönch zurückkam, nickte das Mädchen und verließ die Krankenkammer.
Drüben, im Refektorium des Spitals, saßen noch einige Pilger beim Mahl. Die Reisegefährten hatten sich um einen Tisch an der hinteren Wand versammelt. Ihre Stimmen schallten dem Mädchen bereits entgegen, noch ehe es die Tür erreicht hatte. Dass sie sich nicht friedlich unterhielten, war Juliana spätestens klar, als sie um die Ecke bog und Bruder Rupert sah, der sich über den Tisch gebeugt und Pater Bertran an seiner Kutte gepackt hatte. Die beiden Männer starrten sich wütend an. Juliana hörte Ritter Raymond sagen:
»Ich habe keine Hemmungen, ihm hier im Kloster den Kopf abzuschlagen, Ihr müsst nur ein Wort sagen.«
»Tranquilizáos!« – »Beruhigt euch!« – rief ein Pilger vom
Nebentisch, ehe Juliana sich entschieden hatte, ob sie sich einmischen sollte. Ihr Blick kreuzte den von Bruder Rupert. Er verzog keine Miene, ließ die Kutte jedoch los, so dass der Pater mit einem dumpfen Knall auf seinen Hocker zurückfiel. Er strich sich den Stoff über seiner schmächtigen Brust glatt, griff nach dem Löffel und begann schweigend zu essen. Auch der Bettelmönch wandte sich seiner Schale zu. Der Ritter zog ein Messer und schnitt den Brotleib, den ein Knabe auf den Tisch gelegt hatte, in dicke Scheiben.
Juliana setzte sich neben Pater Bertran und sah die drei Gefährten nacheinander an. »Worum ging es?«, fragte sie.
»Benutze deinen Mund zum Essen«, herrschte sie Bruder Rupert an, und dieses Mal schien der asketische Pater mit ihm einer Meinung zu sein.
»Es steht einem jungen Burschen nicht an, solch Neugier an den Tag zu legen«, schimpfte er. Ritter Raymond schob ihr eine Scheibe Brot über den Tisch zu, so dass dem Mädchen nichts anderes übrig blieb, als stumm zu essen und sich seine Gedanken darüber zu machen, worüber die Männer wohl gestritten hatten.
Später trat Juliana allein in den Hof. Eigentlich war sie erschöpft von ihrer Wanderung über den Bergpass und den schrecklichen Erlebnissen. Dennoch zerrten die Wölfe und der Überfall, der fast ihr Leben gekostet hätte, noch so an ihren Nerven, dass es ihr unmöglich war, Ruhe zu finden. Sie ging eine Weile im Hof auf und ab. Ihre Beine waren schwer, die Füße schmerzten in den Schuhen. Da entdeckte sie eine steinerne Bank in einer Ecke und strebte darauf zu. Erst im letzten Moment sah sie den Schatten, der sich zu einem dunklen Habit zusammenfügte. Als die Gestalt den Kopf hob, blitzte der weiße Rand einer Wimpel unter dem dunklen Schleiertuch wie ein Heiligenschein auf. Juliana blieb stehen.
»Oh, verzeiht, Schwester, ich habe Euch nicht gesehen. Ich möchte Euch nicht stören«, sagte sie in Französisch.
»Du störst nicht. Möchtest du dich setzen?« Ihre Stimme war dunkel, und sie sprach die französischen Worte seltsam hart aus. Einladend wies sie auf den freien Platz neben sich.
»Danke!« Das Ritterfräulein streckte mit einem unterdrückten Seufzer die Beine aus.
»Was ist es, das dir den Schlaf raubt? Du bist lange gewandert und müsstest müde sein.«
Juliana nickte. »Das bin ich auch, und doch erfüllt mich eine seltsame Unruhe, die mich von meinem Lager wegtreibt.«
Die Frau an ihrer Seite nickte. »Ich habe von dem Überfall gehört. Dein Geist braucht Ablenkung, dass er sich von der Erinnerung der Gefahr löst und die Angst vergisst.«
»Da mögt Ihr Recht haben. Wie ist Euer Name? Seid Ihr auch auf der Reise nach Santiago?«
»Ich heiße Isabella – wie die Schwester unseres Königs. Ich war auf der Reise und habe das Grab unseres Apostels gesehen, doch dann bin ich auf meinem Rückweg hier geblieben.«
»Warum? – Ich meine, falls Ihr meine Frage nicht als zudringlich empfindet«, entschuldigte sich Juliana.
Isabella schwieg einen Moment. »Hier habe ich den Platz in meinem Leben gefunden. Gott hat mich hierher gebracht, dass ich ihm hier diene.«
»Aber wird das Spital nicht von Mönchen geführt?«
Die Schwester
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