Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
Glieder, schwang die Beine unter der Decke hervor und zog sich rasch an. Sie besuchte als Erstes André, den sie noch in seinem Bett vorfand.
»Ich muss mich nicht mehr erbrechen, aber mein Schädel dröhnt mir noch gewaltig«, gab er Auskunft. »Der Fray sagt, ich soll einen Tag hier bleiben. Wie geht es dir? Ein wenig Ruhe würde dir sicher auch gut tun.« Hoffnungsvoll sah er zu Juliana auf.
Das Mädchen hob abwehrend die Hände. »Ich kann nicht bleiben! Ich fühle mich stark und muss meinen Weg fortsetzen. Es ist schade, wenn sich unsere Pfade hier trennen, doch vielleicht begegnen wir uns wieder.«
Die Enttäuschung in seiner Miene traf sie so tief, dass sie schnell den Blick abwandte.
»Es ist nicht der Apostel, der dich antreibt. Du suchst jemanden, ich weiß. War da nicht ein Mädchen, das von daheim verschwunden ist? Von Ehrenberg, so hieß die Burg doch, oder? Ritter Raymond hat auch nach jemandem gefragt. Nach einem Ritter – und nach einem Mädchen.« André betrachtete sie nachdenklich. »Wäre es möglich, dass ihr das gleiche Ziel habt? Hast du mit ihm darüber gesprochen?«
Widerstrebend schüttelte das Mädchen den Kopf. »Nein, und ich möchte dich bitten, es auch nicht zu tun.«
André zuckte mit den Schultern. »Ich mische mich nicht ein, dennoch würde es mich interessieren, warum du sie so dringend finden musst, dass du dir keinen Tag Erholung gönnst.«
»Ich kann nicht darüber sprechen, und ich muss weiter, verstehe das bitte. Ich wünsche dir alles Gute und Gottes Segen auf deiner Reise.«
Sie hob die Hand, zögerte jedoch und ließ sie wieder sinken. André griff nach ihr und umklammerte sie fest.
»Johannes, bitte, nur einen Tag. Für mich. Verlange ich zu viel? Bin ich dir nach allem, was wir zusammen erlebt haben, kein Freund geworden, der dir am Herzen liegt?«
Sie entzog sich seinem Griff. »Ich muss gehen. Verzeih«, flüsterte sie und wandte sich ab. Sie lief fast in die massige Gestalt Bruder Ruperts hinein, die ihr durch der Tür entgegenkam.
»Nun, was ist mit dir? Hast du dein Bündel noch nicht gepackt? Wir wollen aufbrechen.«
»Sind die anderen schon bereit?«, wunderte sich das Mädchen.
Bruder Rupert schüttelte den Kopf. »Unser lieber Pater fühlt sich nicht wohl, und so, wie ich es mitbekommen habe, wird Ritter Raymond mit ihm hier bleiben.«
»André ist noch nicht kräftig genug, um weiterzuwandern«, sagte das Mädchen.
Bruder Rupert zuckte die Achseln. »Das habe ich mir gedacht. Er wird hier gut versorgt, da musst du dir keine Sorgen machen. Gehen wir?«
Alles in ihr sträubte sich dagegen, mit dem Bettelmönch allein weiterzuziehen. Er schien sich zu freuen, die anderen hier zurückzulassen. Warum nur? Was hatte er gegen sie? Worüber hatten sie sich gestern gestritten? Sie zögerte. Sollte sie bei André bleiben und damit einen Tag verlieren, oder konnte sie es wagen, sich dem Bettelmönch anzuvertrauen? Sie fühlte sich von ihm bedrängt. Sein Blick schien ihren Willen niederringen zu wollen.
»Komm, wir gehen!«
Sie sah zu André hinüber, der sich halb auf seinem Lager aufgerichtet hatte und sie nicht aus den Augen ließ. Was sollte sie nur tun?
»Ich werde mitkommen!«, sagte der junge Ritter entschlossen und warf die Decke ab. »Das Dröhnen in meinem Kopf wird schon besser.«
»Wir werden nicht so schnell vorankommen, wenn er an unseren Fersen klebt«, murrte der Bettelmönch. »Das ist unsinnig! André, geh in dein Bett zurück, und du Johannes, nimm deinen Stab, und folge mir!«
»Ihr habt mir gar nichts zu befehlen«, wehrte sie ab. »Wenn André sich kräftig genug fühlt, dann werde ich mit Freude an seiner Seite wandern.«
»Ich dachte, du hättest es so furchtbar eilig?«, schimpfte der Mönch, wandte sich ab und stapfte hinaus.
Bruder Rupert wartete draußen vor dem Tor auf die beiden jungen Pilger. Zu Julianas Überraschung war er nicht allein. Ritter Raymond und Pater Bertran hatten sich anscheinend ebenfalls besonnen und beschlossen, ihren Weg noch heute fortzusetzen.
»Sagtet Ihr nicht, Ihr wolltet ruhen?«, brummte der Bettelmönch die beiden an. Der Blick und seine Stimme waren missmutig. Er stellte sich neben Juliana, als müsse er sie vor den beiden beschützen. Sein Gesichtsausdruck erinnerte sie an den Vater. Hatte er nicht auch stets so finster dreingesehen, wenn sich ein fremder Ritter der Mutter näherte? Oder irgendein Mann seiner Tochter? Was war das? Ging es darum, den eigenen Besitz zu schützen? War es
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