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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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sich auf den Weg. Juliana hörte noch, wie Pater Bertran vorschlug, man könne sich bei Sonnenuntergang im Wirtshaus San Martín vor dem Westtor treffen, um gemeinsam zum Kloster zu gehen.

    »Ich bin froh, dass wir endlich wieder einmal allein sind«, sagte André, als die anderen drei im Durcheinander der Stadt zurückgeblieben waren.
    Juliana nickte abwesend. Nicht nur, dass ihre Leibschmerzen  – wie gewohnt zu diesem Ereignis – immer schlimmer wurden, sie hatte beim letzten Mal die restlichen Leinenlappen aus ihrem Vorrat verbraucht und nicht einmal ein Stück Moos, das ihr daheim immer gute Dienste leistete, in ihrer Tasche. Nicht mehr lange, dann würde das Blut zu fließen beginnen. Was, wenn es durch Hemd und Rock drang? Selbst wenn sie eine Weile den Mantel um sich schlang, es würde ihr sicher nicht gelingen, in einem Bach oder in einer Herberge die verräterischen Flecken zu entfernen! Sie brauchte Leinenstreifen, und zwar schnell! Und möglichst, ohne dafür bezahlen zu müssen.
    »Habe ich etwas getan, das dich gekränkt hat?«, drang Andrés Stimme in ihr Bewusstsein. »Es ist wegen des Überfalls, nicht? Ich weiß, du hast geschworen, die Hand gegen niemanden zu erheben, und ich war nicht an deiner Seite, dein Leben zu schützen.« Er sackte in sich zusammen. »Ich darf mich nicht mehr Ritter nennen.« Er griff nach der leeren Schwertscheide an seiner Seite und starrte sie voller Hass an.
    »Aber nein, es ist nichts – nichts, das mit dir zu tun hätte«, stotterte das Mädchen. »Vielleicht hat Bruder Rupert Recht, und mein Unwohlsein ist eine späte Folge der gestrigen Ereignisse« , griff sie die Ausrede des Bettelmönchs auf. »Ich gebe dir nicht im Geringsten die Schuld.«
    »Und doch habe ich versagt«, beharrte André. »Ich bin
nichts wert, ich kann nur Unglück über die Menschen bringen, die ich …« Er hielt inne und wandte sich ab. Er brauchte eine Weile, bis er sich gefasst hatte. »Komm, lass uns weitergehen. Ich sehne mich nach Ruhe und einer dunklen Kammer.« Er trat näher zu dem Mädchen und lächelte es an. Zärtlichkeit stand in seinem Blick. Rasch wandte sich Juliana ab. Scheinbar interessiert wanderte ihr Blick zum Festungsberg hinauf, der sich rechts vor ihnen erhob. Welch wehrhaftes Bauwerk! Nicht nur die Burg selbst war ummauert, um den ganzen Berg zogen sich zinnenbesetzte Mauerstücke und halbrunde oder rechteckige Türme in stetem Wechsel. Es mussten mehrere Dutzend sein!
    Sie folgten dem Strom der Menschen, in dem immer mehr Pilger unterwegs waren, die alle ein Ziel hatten: das Portal der Kathedrale, durch das sie verschwanden. Die Ostseite der Kirche war von einem Wald an Baugerüsten umgeben, und auch an den Türmen und Kuppeln wurde eifrig gearbeitet. Die niedrige Nordseite am Berghang hingegen war bereits vollendet. Das prächtige Portal war seitlich mit fein gehauenen Figuren der Apostel geschmückt. Auf dem Giebelfeld prangte der Herr als Weltenrichter, Maria und Johannes zu seiner Seite. Darunter der Erzengel, der die Seelen abwägt. Dem Betrachter wurde deutlich vor Augen geführt, was mit den Seelen geschieht, die Michael verwirft. Dämonische Gestalten schleppten sie fort, um sie in einem der Höllenkessel zu martern.
    »Das wird auch mit mir geschehen, wenn ich sterbe«, sagte André und deutete auf die Figuren über dem Portal. Er war nun noch blasser als das Mädchen.
    Juliana schüttelte den Kopf. »Aber nein, du bist auf dem Weg zu Sankt Jakob. Wer zu ihm pilgert und um Vergebung bittet, der wird den ganzen Ablass erhalten. Hell und rein wird deine Seele zurückkehren, egal wie groß deine Sünden auch waren.«
    »Nicht wenn ich weiterhin ein Sünder bin und meine Seele jeden Tag aufs Neue beschmutze«, stieß er wild hervor. »Kein Apostel der Welt kann mir helfen.«
    Was sollte sie ihm sagen? Sie wollte ihn trösten, den Arm um
seine Schulter legen und ihm versichern, dass Gott sich seiner Seele annehmen würde, aber er wich zurück.
    »Du solltest weitergehen. Die Nonnen werden sich um dich kümmern«, sagte sie bestimmt.
    »Und du?«, fragte André. Er sah sie mit flehend aufgerissenen Augen an.
    »Ich gehe in die Kathedrale – allein! Ich werde auch für dich beten. Und nun geh! Wir sehen uns beim Spätmahl im Kloster.«
    Er zögerte, dann nickte er, wandte sich ab und trottete davon. Juliana wartete, bis er außer Sicht war. Doch sie folgte nicht den Pilgern in die Kathedrale, sondern verschwand in den Gässchen, um sich Leinen zu besorgen.

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