Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
mir gesprochen«, wehrte André steif ab.
»Ach, und wie viele Ewigkeiten Fegefeuer hat er dir angedroht? Ich fürchte, unser asketischer Pater ist unversöhnlicher als Gottvater und sein Erzengel zusammen.«
»Dann meint Ihr, ich könnte dennoch auf Erlösung hoffen?«, fragte der junge Mann zaghaft und trat einen Schritt näher. Bruder Rupert ließ sich auf dem trockenen Boden nieder und klopfte einladend neben sich.
»Das kann ich erst sagen, wenn du mir deinen Kummer erzählt hast.«
André setzte sich ihm gegenüber. Während der Bettelmönch sich behaglich gegen den Baumstamm in seinem Rücken lehnte, blieb der junge Ritter stocksteif sitzen.
»Du willst wegen Johannes fortgehen«, sagte Bruder Rupert. Das Mädchen in seiner Mulde drehte unauffällig den Kopf, um besser hören zu können. Anscheinend hatte André genickt, denn der Mönch sagte: »Ja, das dachte ich mir.«
Da brach es aus ihm heraus. André barg das Gesicht in den Händen und schluchzte. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Noch nie habe ich so seltsame Gefühle verspürt. Ich mochte ihn, seit wir uns begegnet sind. Am Anfang schien mir das normal, wie mit den anderen Knappen und jungen Rittern, ein freundschaftliches Gefühl. Dann aber bemerkte ich, wie es mich drängte, ihm nahe zu sein. Ich wollte ihn berühren!« Sein Körper bebte.
»Bruder, glaubt mir, ich war völlig von diesen Gedanken überrascht. Nie vorher kam mir so etwas in den Sinn. – Ja, natürlich hatte ich manches Mal unkeusche Gedanken, aber dabei stand mir stets ein Weib vor Augen! Nie habe ich etwas anderes als eine Frau begehrt – bis ich auf Johannes stieß.«
Er machte eine Pause, aber Bruder Rupert schwieg.
»Pater Bertran hat es bemerkt und – und mich zur Rede gestellt. Er hat mir gesagt, wie gnadenlos Gott widernatürliche Liebe straft. Es gibt kaum etwas Schlimmeres unter der Sonne als Fleischeslust zwischen Männern, das waren seine Worte. Es graut ihm vor mir, und er wendet sich mit Abscheu von mir ab.«
»Ja, das ist mir nicht entgangen«, sagte der Bettelmönch ruhig, als würden sie über das Essen plaudern.
»Und Ihr? Seid Ihr jetzt nicht auch von Grauen erfüllt?«
»Hm.« Er tat so, als müsse er überlegen. »Nein, mein Junge, ich muss dich enttäuschen. Du wirst nicht zu den Begegnungen gehören, deren Erinnerung mir Übelkeit bereitet.«
»Nein? Oh, aber dennoch werdet Ihr verstehen, dass ich nicht bei Euch – bei ihm bleiben kann. Er ist so unschuldig und ohne Argwohn. Seine Berührungen sind die eines Freundes, der Trost spenden will. Ich kann und will ihn nicht in diesen Sumpf der Sünde ziehen. Ich muss von nun an meinen Weg allein finden und darauf hoffen, am Grab des Apostels Vergebung zu finden.«
Bruder Rupert erhob sich, André folgte seinem Beispiel.
»Ich werde dich nicht aufhalten. Vielleicht ist es die beste Lösung, wenn du dir andere Weggefährten nach Santiago suchst. Doch eines will ich dir noch sagen: Gräme dich nicht zu sehr. Gott wird dich dafür nicht strafen. Es gibt so manches auf dieser Welt, das wir nicht verstehen und das wir einfach hinnehmen müssen. Du hast gegen das Drängen angekämpft, das ist gut so. Und nun befreie dich von deinen Gefühlen der Schuld. Ich bin mir sicher, wenn du durch deine Gebete in Santiago gereinigt nach Hause zurückkehrst, dann wirst du ein Edelfräulein heiraten, und es wird dich danach drängen, nur sie zu berühren und zu besitzen.«
»Ich werde niemals nach Hause zurückkehren können«, stieß er hervor, und es hörte sich an, als würde er weinen.
»Willst du es mir sagen?«
»Nein!« André erhob sich. »Ich danke Euch, Bruder Rupert, und ich hoffe, Ihr behaltet Recht. Denkt nicht schlecht von mir, und gebt auf Johannes Acht. Er ist so jung – so zart …« André räusperte sich. »Ich weiß nicht, wie er hier auf der Straße allein überleben könnte«, fügte er barsch hinzu.
»Ich werde nicht von seiner Seite weichen!«, versicherte Bruder Rupert in einem Tonfall, der Juliana schaudern ließ. Es klang fast so, als wäre ihm dies wichtiger, als das Grab des Apostels zu erreichen. Hegte er gar ähnliche Gefühle für sie wie André? Hatte er sich deshalb seit Freiburg an ihre Fersen geheftet? Aber nein, wie konnte das sein? Nichts in seinem Blick deutete an, er könne sie verehren.
War er Ritter Raymonds Komplize? Hatte sie in der Kammer des Wirtshauses Ritter de Crest mit Bruder Rupert sprechen hören?
»Also dann…« André wandte sich zum Gehen.
Nein!
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