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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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wollten sie hier die Nacht verbringen. Von der Empore auf der anderen Seite drangen französische Worte herab, ein Stück entfernt schwatzten ein paar Männer in einer Sprache, die Juliana nicht kannte. Vor einer Kapelle im Rundgang hinter dem Altar sangen Mönche in zerschlissenen Kutten.
    »Bist du auch aus der deutschen Heimat?«, sprach ein junger Bursche Juliana an. »Dann setz dich hierher, bete und singe
mit uns. Komm an meine Seite, von hier aus kannst du die Figur des Apostels unter dem Baldachin sehen.«
    Zögernd ließ sich das Ritterfräulein neben dem Fremden auf dessen Mantel sinken und betrachtete die überlebensgroße Figur Sankt Jakobs über dem Altar. Prächtig schimmert sie im Schein Hunderter von Kerzenflammen. Hatte Jakobus so ausgesehen? Auf ihrer Reise war er ihr auf Bildnissen oft als ärmlich gekleideter Pilger begegnet, ein paarmal auch als Kämpfer gegen die Mauren, das Schwert erhoben, die abgeschlagenen Köpfe der Feinde zu seinen Füßen. Hier wirkte er mit seiner Krone auf dem Kopf wie ein König.
    Juliana faltete die Hände. Sie betete um Vergebung für ihren Vater und für die Seele des Deutschherrn Rupert, der sie beschützt hatte, sie betete für Swicker und für das das Leben der Templer, für André und den Krüppel Sebastian in Puent de la Reyna, für ihre Mutter daheim und den toten Bruder Johannes. Als die deutschen Pilger wieder sangen, erhob auch sie ihre Stimme, als sie schwiegen, betete sie mit ihnen. Später schliefen immer mehr der Pilger ein, rollten sich wie Tiere in ihre Umhänge. Juliana jedoch blieb die ganze Nacht aufrecht sitzen, die Hände vor der Brust gefaltet. Als ihr kein Gebet mehr einfiel, dachte sie über sich und ihren Lebensweg nach.
    »Heiliger Jakobus«, flüsterte sie, »wie geht es nun weiter? Es ist alles so dunkel um mich, dass ich nicht einmal meine eigenen Schuhspitzen erkennen kann. Wohin wird mich meine Straße führen?« Doch der Apostel schwieg.
    Als sie sich am Morgen erhob, war sie steif, erschöpft und durstig. Die anderen Pilger wirkten wie befreit, Juliana jedoch fühlte nur Traurigkeit, als sie durch das Portal in den regentrüben Morgen hinaustrat.

    »André!« Juliana lief dem zurückgelassenen Freund direkt in die Arme, als sie am nächsten Tag ziellos durch die Stadt strich
und sich die Auslagen der Gagatschnitzer und Silberschmiede betrachtete. Sie drückte ihn an sich.
    »Johannes! – Juliana.« Zögernd legte er seine Hände auf ihren Rücken und wich dann hastig einen Schritt zurück. Das Mädchen betrachtete ihn. Er trug bereits die Pilgermuschel an seiner Brust.
    »Warst du schon in der Kathedrale?«
    André schüttelte den Kopf. »Ich werde heute Nacht vor dem Grab des Apostels wachen. Ich habe bereits zwei Kerzen gekauft  – für meine Mutter und das Kind. Es ist unglaublich, was sie hier für ein Pfund Wachs verlangen. Das waren meine letzten Münzen. Ich denke, ich werde das Pferd verkaufen müssen. Wie soll ich denn sein Futter bezahlen?«
    Julianas Miene verfinsterte sich. »Ja, sie beuten die Pilger aus, wo sie nur können. Hast du denn eine Unterkunft gefunden? Spitäler sind hier rar, und in den Wirtshäusern muss man kräftig bezahlen. Wenn das so weitergeht, dann sind die Münzen des Vaters und die, die Bruder Rupert mir hinterließ, bald aufgebraucht.«
    André seufzte. »Ja, das ist mir auch schon aufgefallen. Es ist sogar schwer, ein Stück Brot umsonst zu ergattern. Aber ich werde kein Quartier brauchen. Ich verbringe die Nacht in der Kathedrale und wandere morgen in aller Frühe weiter.«
    Juliana kaufte einem Jungen mit Bauchladen zwei Stücke seines warmen Honiggebäcks ab und reichte eines André, der es mit gierigen Bissen verschlang.
    »Wohin?«, fragte sie leise. »Gehst du nach Hause zurück?«
    Der junge Ritter leckte sich die klebrigen Finger ab. »Ja, ich denke, ich werde heimkehren und mich dem Vater zu Füßen werfen. Wenn er will, dass ich bleibe, dann stehe ich ihm zur Verfügung und folge seinem Rat – wenn nicht, nun dann muss ich sehen, wo ein Schwert gebraucht wird. Vielleicht schaffe ich es, nächstes Jahr bis zum Pfingstfest Burgund zu erreichen.«
    »Nächstes Jahr?«, rief Juliana aus. »Was willst du so lange hier machen?«
    André zuckte mit den Schultern. »Was ich will, das ist nicht die Frage. Wir haben Mitte Oktober. Vielleicht kommen wir noch über den Cebrero oder bis nach Rauanal, aber die Pyrenäen sind längst unter Schneebergen versunken, bis wir Navarra durchquert haben.

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