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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Nach Frankreich kommen wir in diesem Jahr ganz bestimmt nicht mehr.«
    Juliana ließ sich auf eine Treppenstufe sinken. André setzte sich neben sie. »Dann sind wir gezwungen, für viele Monate zu bleiben? Wie soll das nur gehen? Du hast kein Geld und ich nicht genug. Santiago müssen wir auf alle Fälle verlassen! Hier ist alles viel zu teuer.«
    André nickte. »Wir werden auf unserem Weg schon einen Platz finden, an dem wir den Winter verbringen können. Vertraue dem Apostel Jakobus. – Und wenn du willst, dann kannst du mit nach Burgund kommen. Du bist eine edelfreie Tochter von Ehrenberg. Mein Vater hätte sicher nichts dagegen. Denke darüber nach. Bitte!«
    Juliana umschlang ihre Knie und starrte auf das schmutzige Straßenpflaster. Ihre Gedanken wanderten auf trüben Pfaden, dann jedoch war ihr, als höre sie eine Stimme. Die Stimme des Tempelritters Swicker, wie er einst zu ihr gesprochen hatte. Die Worte klangen ganz klar in ihr, obwohl seit diesem Tag eine Ewigkeit verstrichen schien.
    »Ich war dort, am Ende der Welt. Wer es einmal gesehen hat, der kann diesen Anblick nicht wieder vergessen, und er bleibt unser Leben lang tief in unsere Seele eingegraben.« Juliana sprang auf.
    »Ich will das Ende der Welt sehen!«, rief sie. »André, reitest du mit mir bis zum großen Meer? Zu den Klippen von finis terrae ?
    Der junge Ritter lächelte sie an. »Gut, komm heute Nacht mit mir, um für die Toten, die ich zurückgelassen habe, zu beten  – und für meine Erlösung. Dann gehe ich mit dir zum Ende der Welt.«

    Sie ritten weiter nach Westen. Der Wind war noch immer frisch, der Regen aber hatte nachgelassen. Dennoch sah man es jeder Wiese, jedem Bach und jedem von Moos und Farn überzogenen Baum an, dass es in Galicien an Wasser nicht fehlte. In Ponte Maceyras 34 schäumten die Fluten über rund geschliffene Granitbrocken, um saftig-grüne Inseln herum und dann unter der zur Mitte ansteigenden Brücke hindurch.
    So wenig die Menschen hier über fehlendes Wasser klagen mussten, so schwierig war es anscheinend, die Ernte vor Fäulnis und hungrigen Nagern zu bewahren. Juliana und André ritten immer wieder an lang gezogenen Speicherhütten vorbei, die auf hölzernen Stelzen ruhten. Die Taubenhäuser, die neben den Landhäusern des Adels standen, hatten die Form von Rundbauten mit unzähligen Nischen. In einem Kloster, das am Ufer eines rauschenden Bachs lag, verbrachten sie die Nacht. Einer der Padres zeigte den beiden Pilgern stolz das Mühlrad, das er mit den Brüdern gebaut hatte und das vom herabstürzenden Wasser ohne Unterlass angetrieben wurde. Juliana stapfte vorsichtig hinter den Männern her. Die Steine waren grün und glitschig. Wie Nebel stieg die Gischt auf. Die ganze Nacht verfolgte das Rauschen des Bachs Julianas Träume und weckte sie bei Anbruch des Tages. Die Mönche reichten ihnen noch ein Frühmahl, dann verabschiedeten sich die beiden Pilger und bestiegen ihre Pferde.
    Der Wind frischte auf und fiel in stürmischen Böen über sie her. Graue Wolken jagten über den Himmel, ließen ihre Regenlast herabprasseln und erlaubten kurz darauf wieder ein paar Sonnenstrahlen, zur Erde herabzuscheinen. Bald würden sie die Mündung des Flusses erreichen, der sich wie ein Trichter erwartungsvoll dem Meer öffnete. Zweimal am Tag kamen die Wellen mit Wucht heran und verschlangen Sand und niedere Klippen, und dann zog sich das Wasser wieder für einige Stunden zurück. Juliana staunte. Floss das Wasser an den Rändern
der Erde ab und musste von Gottes Engeln immer wieder aufgefüllt werden? Sie fragte den Pater, ob er je die Ungeheuer gesehen hätte, die am Ende der Welt lauerten, doch er lachte nur und schüttelte den Kopf.
    »Sieh André, was für große weiße Tauben!«, rief Juliana und zügelte ihr Pferd, damit der junge Ritter sie einholen konnte. Zwar lahmte sein Ross nicht mehr, doch es war eher für gemächliche Gangarten geeignet. André beschirmte seine Augen gegen die grellen Strahlen, die die Nachmittagssonne zwischen zwei Wolkenbergen hindurchsandte.
    »Ich weiß nicht. Sie sehen viel schlanker und wendiger aus. Ich glaube, das sind die Küstenvögel. Gaviotas hat der Pater sie genannt.«
    »Möwen«, sagte Juliana verträumt. Ihre Augen glänzten. »Das Meer ist nah. Merkst du es, der Wind hat sich verändert. Er riecht so rau und schmeckt nach Salz!«

    Rot versank die Sonne im Meer. Die Wellen begannen zu brennen, bis das vor Augenblicken noch tintenschwarze Wasser zu flüssigem Gold

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