Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
gebracht – völlig nackt und halb tot. Wir wissen noch nicht, ob sie es schaffen. Sie wurden böse mit Messern und Keulen zugerichtet. Dabei hatten sie kaum etwas bei sich, das zu stehlen lohnte – das sagte uns jedenfalls der jüngste, der inzwischen wieder bei klarem Verstand ist.«
Unvermittelt blieb das Männchen stehen und sah Juliana vom Kopf bis zu den Füßen an. »Und du wanderst allein durch die Wälder? Ist dir nicht klar, wie gefährlich das ist?« Der Mönch schnalzte missbilligend mit der Zunge.
»Mir ist bisher nichts geschehen«, verteidigte sich Juliana mit dünner Stimme.
»Dummer Junge!«, schnarrte der Mönch. »Jacobus muss dich sehr lieben, dass er seine Hand schützend über dich hält.«
Er führte das Mädchen in eine fensterlose Küche, in deren großer Feuerstelle die Glut noch glomm. Daneben stand ein Kessel, aus dem er ihr eine Schale Eintopf schöpfte.
»Du kannst hier essen«, er deutete auf eine Bank vor einem Tisch aus rohem Holz. Er schlurfte zu einem Wandbord, nahm einen Laib Brot aus einer Tonschüssel und schnitt einen großzügigen Kanten ab. »Wir gehen hier früh zu Bett, damit wir uns rechtzeitig zur Matutin erheben können«, sagte er ein wenig vorwurfsvoll, als er ihr das Brotstück reichte.
Juliana senkte den Kopf. »Es tut mir Leid, dass ich Euch so spät noch Umstände mache, Fray Mateo, ich wusste nicht, wie weit der Weg hierher ist.«
Das Männchen lächelte und strich ihr über die blonden Locken, die seit ihrem heimlichen Aufbruch in Wimpfen schon wieder ein Stück gewachsen waren. »Musst dich nicht entschuldigen. Der Portner hält immer Wacht, um auch die Verspäteten, die Hilfe bedürfen, einzulassen. Nun iss, damit ich dich zum Schlafsaal führen kann.«
Das Mädchen schlang den kalten Eintopf und das Brot hinunter und trank einen Becher verdünnten Wein, den Fray Mateo ihr über den Tisch zuschob. Dann folgte sie ihm über eine Treppe in einen Saal mit einem Dutzend Strohmatratzen. Der Portner wartete, bis sie Kittel, Schuhe und Beinlinge abgelegt hatte und in ihrem Hemd unter die Decke gekrochen war. Dann erst hob er die Laterne auf und ging, um seinen Posten am Tor wieder einzunehmen. Das Klatschen seiner Sandalen auf dem Steinboden war das Letzte, das Juliana noch hörte, ehe sie in tiefen Schlaf sank.
Sie hatte tief und traumlos geschlafen. Weder der Gesang der Mönche, der um zwei Uhr morgens zur Matutin anhub, noch ihr Gotteslob zu den Laudes um halb fünf störten ihre Ruhe. Erst als ein paar Pilger sich erhoben, sich ankleideten und zum Frühmahl gingen, erwachte Juliana. Ein schwacher Lichtschein drang durch die Pergamentscheiben. Fast die Hälfte der Lager war noch belegt. Sicher waren hier auch die Unglücklichen, die auf ihrem Weg hierher überfallen worden waren. Während sich das Mädchen ankleidete, huschte ihr Blick neugierig von einem Bett zum nächsten. Oder wurden so schwer Verletzte in einem anderen Raum des Klosterspitals untergebracht?
Im Refektorium der Pilger, das von dem der Mönche getrennt war, traf Juliana auf fünf Männer und eine Frau. Sie setzte sich ein wenig abseits und beobachtete die anderen verstohlen, während sie eine Schüssel Mus mit Holunderbeeren löffelte, die zu dieser Jahreszeit überall an den Wegrändern üppig gediehen.
Zwei junge Männer, mit den groben grauen Kutten der Franziskaner bekleidet, saßen unter dem Fenster, die Köpfe gesenkt und schwiegen. An einem anderen Tisch sah sie drei Männer, die sich lebhaft unterhielten. Einer von ihnen war noch jung, ein leerer Schwertgurt hing um seine Hüfte. Die anderen mochten im Alter ihres Vaters sein. Während der eine Kleider aus gutem Tuch trug und einen pelzgefütterten Mantel über seine Knie gelegt hatte, sah der andere sehr zerlumpt aus. Julianas Blick wanderte zu der Frau weiter, die allein hinten an der Wand ihre Musschüssel leerte. Ihre Kleider waren zwar von der Reise gezeichnet, jedoch anständig und von dickem Wollstoff. Ihr Haar verbarg sie unter einer einfachen Haube. Wer war sie? Reiste sie allein? War sie überhaupt eine Pilgerin auf dem Weg nach Santiago? Juliana sah die Blicke, die die Männer immer wieder in ihre Richtung warfen. Die drei steckten die Köpfe zusammen. Sprachen sie über die Frau? Hegten sie irgendeine Teufelei aus? Aber nein, es waren Pilger! Sie würden sich auf ihrer Fahrt niemals einer Frau in schamloser Absicht nähern… Oder doch? Waren sie nicht schwache Sünder wie alle Menschen,
die auch dem Ruf des
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