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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Er ließ den Blick über die Runde der ärmlich gekleideten Männer wandern. Sie lauschten ihm gebannt und schüttelten besorgt die Köpfe. Gern nahm der Schmied
einen Krug Bier zum Dank für seine hilfreichen Auskünfte und zeigte stolz seine Pilgermuschel, die er sich an den Umhang geheftet hatte. »Wartet lieber einen Tag länger, bis das Wetter zuverlässig erscheint. Santiago läuft euch nicht davon.«
     
    Sein Bild stand Juliana wieder klar vor Augen, als ein prasselndes Geräusch sie zusammenschrecken ließ. Kleine, weiße Körner schlugen auf Hut und Schulter und sprangen über Gräser und Steine. Hagel! Der Schmied hatte nicht übertrieben. Juliana hastete zu einem Steinhaufen und kauerte sich in eine kleine Höhlung, dem einzigen Schutz, den es hier oben gab. Die letzten Bäume hatte sie längst schon unter sich zurückgelassen.
    Sollte sie umkehren? Zum Dorf zurückwandern und auf die anderen Pilger warten? Nein, sie musste weiter. Der heilige Jakobus lief ihr nicht davon und auch nicht seine Kathedrale, da hatte der Schmied sicher Recht, aber sie musste sich eilen, wenn sie dem Vater näher kommen wollte. Vielleicht würde es bei ihrer Mission gerade auf diesen einen Tag ankommen! Wer konnte das schon sagen.

    Am Abend vorher hatten Juliana, der Bettelmönch Rupert und eine Gruppe weiterer Pilger Saint Jean Pied de Port durch das Tor am höchsten Punkt der Stadt betreten. Dicht aneinander gedrängt rahmten Häuser die Gasse, die steil zum Ufer des Flusses Nive hinunterführte. Links ragte die Burg auf, die die Pyrenäenstadt bewachte. Die Bürger wiesen den Pilgern den Weg zur Kirche, die unten am Ufer stand, Gotteshaus war und Spital, aber auch ein Teil der Stadtbefestigung. Unter dem Kirchturm hindurch führte der Weg wieder aus der ummauerten Stadt hinaus, über eine Brücke und dann durch die Vorstadt der Handwerker in die Berge hinein.
    »Dann wollen wir abwarten, wie das Wetter morgen wird«, sagte der Bettelmönch, bevor er sich auf sein Lager bettete.
»Wenn der Wirt mit seiner düsteren Vorhersage Recht behält, sollten wir im Schutz dieser Mauern bleiben.«
    Juliana nickte, obwohl sie nicht vorhatte, sich von den Warnungen schrecken zu lassen. So schlimm konnte es nicht werden. Es war erst September! Was konnten die Berge schon für sie bereithalten? Ein wenig Wind und Regen? Das hatte sie auf ihrer Wanderung bereits viele Tage erduldet! Vielleicht war es ganz gut, wenn die Furcht die anderen Pilger hier im Spital zurückhielt. Sie würde sich vor allem Bruder Ruperts gern entledigen. Der Mönch kam ihr seltsam vor. Seine Gesellschaft wurde ihr mit jedem Tag mehr zur Umklammerung, die ihr die Luft zum Atmen nahm. Es schien ihr, als würde sein Blick ihr überallhin folgen. Warum? Sie wusste es nicht, doch ganz gleich, was der Grund für sein Verhalten war, Juliana würde dem nun ein Ende setzen.
    Noch vor dem ersten Schimmer des Morgens schlich sie aus der Kirche und zum Tor hinüber. Ein Wächter hielt seine Hände über eine Kohlenpfanne. Sie bat ihn höflich, das Türlein zu öffnen. Er brummte nur unwillig und war nicht bereit, seinen Platz in der Wärme zu verlassen. Erst eine Kupfermünze in seiner Hand überredete ihn, den Riegel zurückzuschieben.
    »Mon jeune homme, il me semble que tu es pressé d’arriver à Saint-Jacques-de-Compostelle?« – Junger Mann, mir scheint, du hast es sehr eilig nach Santiago de Compostela zu kommen.
    Ja, sie hatte es eilig! Juliana dankte dem Wächter und schlüpfte hinaus.
    »Warte nur, die Berge werden deinen Übermut schon kühlen«, rief er ihr noch nach.
    Hastig rückte das Mädchen Leinenrucksack und Pilgertasche zurecht, überquerte die Brücke und durchschritt die Gasse der Handwerker, deren Werkstätten zu dieser Stunde noch geschlossen waren.
    »Junger Mann«, hatte der Wächter sie genannt, und wieder einmal war Juliana froh, dass ihre Verkleidung nicht auffiel. Ein Mädchen, allein in der Wildnis, das war undenkbar.
    Die Mauern der Stadt im Rücken, folgte Juliana dem Karrenweg bergan. Der Weg führte sie zwischen Hecken mit taufeuchten Hagebutten und Weißdorn hindurch, vorbei an einem baufälligen Hospital. Kurze Zeit später wurde der Weg steiler, und als Juliana die wenigen Katen des letzten Weilers passierte, hatte der Anstieg die morgendliche Kälte aus ihren Gliedern vertrieben. Keuchend blieb sie unter einem Maronenbaum stehen. Zu Hause gab es diese Bäume nicht, aber in Frankreich hatte sie die Früchte schätzen gelernt, die,

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