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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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nicht, ob André die Worte nicht verstanden hatte oder ob er sie überhören wollte, denn er fuhr an sie gewandt fort:
    »Ich kann es nicht erwarten, auf sie zu treffen. Du musst mit mir nach Eunate kommen«, drängte er. »Es liegt zwar nicht auf unserem Weg, aber ich will es auf keinen Fall versäumen.«
    »Warum? Was gibt es dort Besonderes? Ist dir der Weg nach Santiago nicht weit genug, dass du noch nach Umwegen suchst?« Juliana räkelte sich, fischte nach dem letzten Apfel in ihrem
Rucksack und biss herzhaft in die kleine, saure Frucht. Sie wollte keinen Umweg machen. Schon die Siesta im Schatten dieses Baumes nagte an ihrem Gewissen. Der Vater konnte nur wenige Tagesmärsche voraus sein. Wenn sie sich beeilte, dann könnte sie ihn bald einholen. Dann würden sie zusammen an Sankt Jakobs Grab treten und um Vergebung für Vaters Seele beten. Und dann würde er ihr erzählen, wie es zu dieser schrecklichen Bluttat kommen konnte. Der Templer hatte ihn gereizt, beleidigt oder in die Enge getrieben, dass ihm keine Wahl geblieben war. Den Vater traf keine Schuld! Wie gern würde sie diese Worte glauben.
    André ging mit ausladenden Schritten auf und ab. Er breitete die Arme aus. »Es ist – ach, ich kann das nicht erklären, du musst es mit mir zusammen sehen. Es sind doch nur zwei oder drei Stunden, die wir verlieren.«
    »Warst du denn schon einmal dort?«, mischte sich Bruder Rupert ein, der auf einem Grashalm herumkaute.
    »Nein, natürlich nicht«, fauchte ihn der junge Ritter an. »Wie sollte ich? Ihr wisst genau, dass ich zum ersten Mal nach Santiago wandere.«
    »Woher willst du dann wissen, dass Eunate so wichtig ist? Ich habe gehört, es ist nichts weiter als eine Grabkapelle der Templer inmitten von nichts. Ich denke, wir können uns unsere Sohlen sparen und direkt nach La Puent de la Reyna 9 wandern.«
    »Viele Pilger gehen diesen Weg«, behauptete André und funkelte den Bettelmönch aus seinen dunklen Augen an. Das Streitgespräch über die Templer war zu einem Kräftemessen geworden.
    Juliana richtete sich auf und warf den Rest des Apfels ins Gebüsch.
    »Vielen Dank für Euren Rat, Bruder Rupert. Ihr könnt Eure Sohlen gerne schonen. Wir sind Euch nicht gram, wenn Ihr den
direkten Weg weitergeht, aber ich werde mit André nach Eunate ziehen und in der Templerkirche beten.« Sie sprang auf, hängte sich die Pilgertasche über die Schulter und den Rucksack auf den Rücken. Strahlend lächelte sie André an. Es war nicht nur der Gedanke, Bruder Rupert loszuwerden, der sie zu diesem Entschluss trieb. Falls André Recht hatte, dann war vermutlich auch der Vater diesen Weg gegangen, und vielleicht konnte sie in Eunate etwas über ihn in Erfahrung bringen. Der Vater wollte für den Frevel an einem Templer büßen. Würde er da nicht zu ihrer Grabkapelle wandern und vor dem Altar für Swickers Seele beten? Es würde sie nur wenige Stunden kosten. Wenn sie am Abend länger wanderte, konnte sie das Verlorene wieder hereinholen. Wichtig war, dass sie bis zum Abend die Stadt mit der Brücke der Königin erreichte.
    »Ich bin bereit. Wir können gehen.«
    Der junge Ritter musterte sie ein wenig verwirrt, griff dann aber nach seinem Beutel und folgte Juliana zurück auf den Weg. Bruder Rupert brummte etwas von »unvernünftige Jugend« und »halsstarriges Geschöpf«, ging den beiden jedoch den Weg zur Templerkapelle Santa María de Eunate nach.
    »Ich habe gehört, sie halten dort Rituale und wichtige Versammlungen ab«, vertraute André der Ritterstochter so leise an, dass der Bettelmönch, der hinter ihnen schritt, es nicht hören konnte. »Ach, wenn man so etwas einmal ungesehen beobachten könnte!«

    Sie hatten beide Recht. Eunate war nur eine Kapelle inmitten von nichts – oder richtiger gesagt inmitten sich ausdehnender Felder, und dennoch spürte Juliana, was André nicht hatte aussprechen können: den seltsamen Zauber, den dieser Ort ausübte, und der sie froh machte, den Umweg in Kauf genommen zu haben.
    Der Bau war achteckig. Um die Kirche herum zog sich ein
Säulengang. An ihrem niedrigen Turm befestigte man nachts eine Laterne, um den Pilgern den Weg zu zeigen, die den Pyrenäenübergang bei Puerto de Somport gewählt hatten und über Jaca, Javier und Eunate weiter nach La Puent de la Reyna zogen, wo sich die beiden Pilgerrouten trafen.
    Ein seltsamer Schauder rann Juliana über den Rücken, als sie hinter André unter dem Torbogen hindurch in den mit einem flachen Dach gedeckten Gang trat.

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