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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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bekreuzigt sich.
    »Wie habt Ihr von der Pilgerfahrt erfahren?«, will Juliana wissen. Ihr ist bewusst, dass der barsche Ton der Mutter gegenüber ungehörig ist, doch die Edelfrau rügt sie nicht.
    »Der verehrte Dekan von Hauenstein hat mir eine Mitteilung zukommen lassen. Wir müssen ihm sehr dankbar sein. Ich glaube nicht, dass seine Vorgehensweise ganz korrekt war, auch wenn das Verbrechen in einem Gotteshaus verübt wurde. Vielleicht
hat er eine Sünde begangen, um das Leben des Ritters zu retten. Wir sollten für ihn beten!«
    »Beten!«, schnaubt Juliana abfällig. »Sagt mir lieber, wie es mit uns weitergehen soll, jetzt da der Vater uns im Stich lässt.«
    Sie wünscht, die Mutter würde ihre strenge Stimme erklingen lassen, sich hoch aufrichten und sie mit diesem Blick ansehen, der sie schon als Kind zu sofortigem Gehorsam gebracht hat. Stattdessen wird die Edelfrau noch ein Stück kleiner und zuckt hilflos mit den Schultern. Weich und verletzlich ist sie und genauso verunsichert wie ihre Tochter.
    »Wir wissen nicht alles, deshalb steht es uns nicht an, über des Ritters Taten zu urteilen.«
    »Doch!«, schreit das Mädchen und schleudert ihre aufgelösten Zöpfe nach hinten. »Er wäre es uns schuldig gewesen, erst darüber nachzudenken, was mit uns geschieht, ehe er seine Ehre wegwirft und einen Mord begeht – noch dazu an Eurem Vetter – an einem Tempelritter – in einem Gotteshaus!«
    Nun stehen der Mutter Tränen in den Augen. »Bitte Kind, sprich nicht so. Wir müssen darauf vertrauen, dass er keine andere Wahl hatte. Glaube mir, er ist kein böser Mensch. Das müssen wir uns immer vor Augen halten. Versuche, Frieden im Gebet zu finden.«
    Juliana kann die Hilflosigkeit der Mutter nicht länger ertragen. Jetzt, da sie selbst keinen Ausweg sieht, braucht sie einen Menschen, der sie in die Arme nimmt, ihr sagt, wie es weitergeht und ihr versichert, dass alles wieder wird wie früher.
    »Wird Gott mir Antworten geben?«
    »Du lästerst den Herrn«, flüstert die Mutter unter Tränen. »Du kannst keine Rechenschaft von Gott verlangen.«
    »Nein? Warum soll ich dann beten?«, faucht sie, läuft zur Tür und schlägt sie hinter sich zu. Der Knall breitet sich durch das ganze Haus aus und hallt von den Wänden und dem Gewölbe der Halle wider. Der Lärm fühlt sich gut an. Juliana rafft Rock und Cotte und läuft die Treppe hinunter. Das schwere
Eichentor fällt hinter ihr ins Schloss. Sie sieht in ihrem Geist, wie die Mutter vor der Truhe auf die Knie sinkt und weint, aber sie will kein Mitleid mit ihr empfinden. Es wäre an ihr, jetzt stark zu sein! Sie ist die Hausherrin, die Edelfrau von Ehrenberg, geboren von einer Freifrau von Gemmingen!
    Ohne ein Ziel stapft das Mädchen durch die Stadt. Sie hat vergessen, ihre Holztrippen unter die Ledersohlen zu binden. Dadurch kann sie zwar weiter ausschreiten, muss sich aber aufmerksam ihren Weg zwischen Abfällen und Morast hindurch suchen.
    Es ist ein ganz normaler Morgen in der Stadt Wimpfen auf dem Berg. Ein ganz normaler Markttag, an dem die Bauern ihr Gemüse feilbieten, die Metzger Fleisch und Würste auf den Brettertheken auslegen und der Krämer seine Töpfe und Nadeln, Gürtel und Garne anpreist. Auch die Bäckerstände sind üppig mit duftenden Waren belegt. Die besonders feinen Süßigkeiten aus Teig, mit Honig und Mandeln oder Zimt und Rosinen verfeinert, tragen die Jungen in ihren Bauchläden durch die Gassen. Der Duft, der Juliana stets wie eine Fliege zum Sirup gezogen hat, lässt sie nun würgen. Sie empfindet keinen Hunger. Sie will nur weg von diesen Menschen, die lachen und scherzen, die schimpfen und klagen – deren Leben noch genauso ist, wie es gestern war!
    Juliana verlässt den Marktplatz und geht die steile Gasse bis zum Spital hinab. Auch hier sind viel zu viele Menschen und Karren unterwegs. Ochsen brüllen, ein Maultier übertönt sie mit seinem Ruf, zwei Hunde rennen kläffend vorbei, so dass es ihren Rock bläht. Juliana will sich die Hände an die Ohren pressen und schreien. Fast rennt sie den Hügel hinauf, schiebt das Tor auf und lässt sich im Dämmerlicht auf den kühlen Boden sinken. Hier ist es ruhig. Das Leben hat sie hinter sich gelassen. Sie lehnt sich an eine Säule und schließt die Augen.
    Nun ist sie also doch in einer Kirche gelandet. Allein mit dem Herrn, Christus und mit dessen Mutter Maria. Aber sie wird
nicht beten, beschließt sie trotzig. Und sie wird auch nicht weinen!
    Nach einer Weile öffnet Juliana

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