Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
offensichtlich keine Templer. Einer von ihnen hatte graues Haar mit einer Tonsur, die Haare des anderen waren schulterlang und hell. Nun schwangen sie sich wieder auf ihre Pferde und schlugen ihnen die Fersen in die Flanken. Ohne sich auch nur einmal umzuwenden, ritten sie um die Kapelle herum und sprengten den flachen Hügel im Westen hinauf.
Der Templer stand noch einige Augenblicke da und starrte auf seine Schuhspitzen hinab, dann hob er ruckartig den Kopf, und sein Blick kreuzte sich mit dem des Ritterfräuleins. Kein Lächeln teilte seinen Bart. Er sah Juliana nur an und ging auf das Eingangsportal zu. War er böse, dass sie sich den Umgang angesehen hatten, oder weilten seine Gedanken noch bei den Besuchern? Das Ritterfräulein zupfte André am Ärmel und drängte ihn zum Tor, unter dem sie mit dem Tempelritter zusammentrafen. Juliana verabschiedete sich und neigte den Kopf, um seinem Blick zu entkommen. Sie musste sich bemühen, dass ihre Stimme nicht zu piepsig klang, so kläglich war
ihr plötzlich zumute. Sie zog André hinter sich her, der sie verwundert ansah.
»Was ist mit dir? Fühlst du dich nicht wohl? Du klingst, als hättest du Halsschmerzen.«
»Nein, nein, alles in Ordnung«, krächzte sie. »Ich denke nur, wir sollten uns wieder auf den Weg machen, wenn wir La Puent de la Reyna noch vor dem Abend erreichen wollen. Es ist sicher noch ein Stück. Sie hastete den Hügel hinauf, über den die Reiter verschwunden waren. Oben zeichnete sich die Silhouette von Bruder Rupert ab, der schon ein Stück vorausgegangen war und sich nun umwandte, um auf sie zu warten.
Sie wanderten unter der brennenden Nachmittagssonne zwischen flachen Hügeln dahin. Die Hügelkuppen waren felsig und nur spärlich mit dürrem Dorngestrüpp bewachsen. In den Niederungen jedoch hatten die Bewohner der umliegenden Dörfer Äcker und kleine Weinberge angelegt, sorgsam mit Steinmauern und Reisig umkränzt, damit die umherziehenden Ziegen im Frühjahr und Sommer nicht das kostbare Grün wegfraßen. Zu dieser Jahreszeit allerdings waren auf den Feldern nur noch braune Stoppeln zu sehen.
»Wir werden natürlich in der Pilgerunterkunft der Templer Quartier nehmen«, sagte André und blickte den Bettelmönch angriffslustig an. Juliana schwieg. Der steile Anstieg zu dem Dorf, das über ihnen auf dem Gipfel eines Hügels aufragte, nahm all ihre Atemluft in Anspruch.
»Aber ja«, stimmte ihm Bruder Rupert spöttisch zu. »Es sei denn, wir ziehen in Erwägung ›extra muros‹ hinter der Brücke zu nächtigen. Doch ich vermute, dass es keinen von uns in ein Lepraspital zieht.«
André warf dem Mönch einen bösen Blick zu. Bevor sich die beiden wieder zanken konnten, mischte sich Juliana ein.
»Gibt es denn nur eine Pilgerherberge in La Puent de la
Reyna? Ich dachte, es sei eine wichtige Stadt.« Keuchend hielt sie an und presste die Handfläche auf ihre stechende Seite. Bruder Rupert blieb neben ihr stehen. Sein Atem ging noch immer ruhig, und sein Gesicht war nicht mehr gerötet als sonst.
»Ich habe gehört, es gibt zwei Spitäler – das der Templer und noch ein anderes, das aber nur kranke und verletzte Pilger aufnimmt.«
André hatte bereits die ersten Häuser des Dorfes erreicht. Mit einem Seufzer folgte ihm Juliana und nahm den Rest des Aufstiegs.
10
Zurück nach Ehrenberg
Wimpfen im Jahre des Herrn 1307
W ir werden nach Ehrenberg zurückkehren«, sagt die Mutter. »Wo um alles in der Welt bist du gewesen? Ich habe den Knappen und Wachmann Großhans ausgesandt, dich zu suchen.«
»Ich war unten im Stift.«
Die Mutter nickt nur und fährt fort, Gewänder und Schleiertücher in die Truhe zu packen. Juliana sieht ihr schweigend zu. Warum fragt sie nicht? Interessiert es sie gar nicht, was mit ihrem Gemahl passiert? Sie starrt nur stumm auf ihre Hände, die farbigen Stoff zusammenfalten.
»Der Vater ist fort!«, stößt Juliana vorwurfsvoll aus.
Die Hände der Mutter zittern. Es sind schmale, zierliche Hände. Kleiner als die der Tochter. »Ich habe es vermutet.«
»Keiner weiß, wann er zurückkommt«, schreit das Mädchen. »Ob er überhaupt jemals zu uns zurückkehrt!«
Langsam wendet sich Sabrina von Gemmingen ihrer Tochter zu. Kalkweiß ist ihr Gesicht, so dass die verweinten Augen noch röter wirken. »Ist es nicht besser, er geht fort, als dass sie ihm auf dem Richtplatz den Kopf abschlagen? Und wenn er auf solch einer Pilgerreise zu Tode kommt, wird Gott der Herr sich seiner Seele annehmen.« Sie
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