Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
begrüßt.
»Da bist du ja. Dann können wir jetzt reiten.«
Sie winkt den Anführer der Burgmannen zu sich, damit er Juliana auf ihr Pferd hebt. Dekan von Hauenstein tritt an den Zelter und reicht der Edelfrau die Hand.
»Soll ich Euch nicht doch lieber begleiten?«
Sie versucht sich an einem Lächeln. »Nein, lieber Pater, das ist nicht notwendig. Wir haben vier Wächter an unserer Seite – den Knappen Tilmann nicht zu vergessen. Wir werden Ehrenberg unbeschadet erreichen.«
»Ich werde bald zu Euch kommen«, verspricht der Stiftsherr und tritt zurück. Die Edelfrau gibt das Zeichen zum Aufbruch. Im Schritt reitet der Zug die Straße zur Talaue hinunter: voran zwei der Wächter, dann die beiden Frauen, hinter ihnen der Knappe und ein Wächter, die die beiden Packpferde am Zügel führen. Die kleinen Truhen nehmen die Frauen sofort mit. Den Rest an Kleidern und Hausrat werden zwei Karren später bringen. Den Schluss bildet ein Bewaffneter, die Hand am Griff seines Schwertes.
Um die Mittagszeit erreichen sie die Burg. Die Truhen und Bündel werden abgeladen und in die Kemenate getragen. Die Edelfrau schickt die Mägde und auch die alte Kinderfrau hinaus und bleibt allein in ihrem Gemach zurück. Juliana geht ziellos erst im Palas und dann auf dem Burghof umher.
Daheim. Und doch ist nichts wie früher. Warum nur? Wie oft ist der Vater nicht auf der Burg gewesen, und alles ging in ordentlichen Bahnen seinen Weg. Jeder war auf seinem Platz und wusste, was er zu tun hatte, und wenn nicht, dann fragte man die Edelfrau. Sie hörte sich die Fragen an, stand einige Augenblicke mit gefalteten Händen und ernster Miene da, traf dann in klaren Worten eine Entscheidung und gab die Anweisungen, was zu tun war.
Seit sie Ehrenberg erreicht haben, weint und zittert die Mutter nicht mehr, und doch ist es, als sei sie nur noch ihr eigener Schatten. Es kommt Juliana so vor, als sei sie von einem lähmenden Geist besessen, der nach und nach von allen Bewohnern der Burg Besitz ergreifen werde. Als das Ritterfräulein über den Burghof geht, sieht sie die Mägde und Knechte zusammenstehen und miteinander flüstern. Sobald sie das Fräulein erblicken, fahren sie auseinander, wenden den Blick ab und gehen schweigend wieder ihrer Arbeit nach. Auch die Wächter am Tor hat sie miteinander reden sehen und den Blick gespürt, den sie ihr zugeworfen haben.
Juliana geht auf die Treppe zur Schildmauer zu. Es sind Wolken aufgezogen, und der Wind erhebt sich. Sie will zur Plattform des Bergfrieds hinaufsteigen und sich all die verwirrenden Gedanken aus dem Kopf blasen lassen. Laute Stimmen am Tor lassen sie innehalten, noch bevor sie die Treppe zur Schildmauer erreicht. Einer der Wächter läuft zum Palas, um der Edelfrau Nachricht zu geben. Wer da wohl zu Besuch kommt? Juliana tritt langsam näher. Der Dekan vielleicht?
Es sind zwei Pferde, deren Hufschlag sich auf der Rampe nähert, und dann kommen die Reiter in Sicht: Es sind der Franzose Jean de Folliaco und der Wappner Humbert.
»Was wollen die hier?«, stößt das Mädchen aus und eilt auf das Tor zu. Als sie den Blick des Franzosen spürt, verlangsamt sie ihren Schritt. Sie lässt die Röcke fallen, strafft die Schultern und schreitet – wie sie hofft –, wie es dem ersten Edelfräulein des Hauses angemessen ist, auf die unerwarteten Gäste zu. Der Franzose mustert sie mit durchdringendem Blick, ohne das Haupt zu neigen. In Juliana steigt Ärger auf. Was fällt diesem Templer ein? Ist sie nicht die Tochter der Burg? Hat sie nicht mehr Respekt verdient? Sie greift mit der einen Hand in ihren Mantel und legt die andere an ihre Brust, wie es die Höflichkeit verlangt.
»Wir begrüßen Euch, Ritter de Folliaco, und auch Euch, Bruder Humbert auf Ehrenberg«, sagt sie mit möglichst tiefer Stimme, den Tonfall imitierend, den sie bei der Mutter oft vernommen hat. Nun endlich scheint sich der Gast daran zu erinnern, was die Höflichkeit fordert. Er senkt das Haupt und beugt den Rücken. Der Wappner folgt seinem Beispiel.
»Verehrtes Fräulein, wir danken für den freundlichen Empfang, den wir in dieser schweren Stunde, die über der Burg Eurer Familie liegt, nicht erwarten durften.« Seine Worte sind glatt wie Seide.
»Wie wir erfahren haben, ist Euer Vater zu einem uns unbekannten Ziel aufgebrochen, um seinen Frieden mit Gott zu machen und für seine Seele zu beten.« Er hebt die Hände. »Ich weiß nicht, ob es richtig ist, hierher zu kommen. Aber wäre es recht, ohne ein Wort in
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