Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
die Heimat zurückzukehren?«
Ihre Blicke treffen sich. Er hält dem forschenden Blick des Fräuleins stand, ohne mit den Wimpern zu zucken. Welch schöne, dunkle Augen, welch lange, schwarze Wimpern. Sein Bart ist sauber gestutzt, und sie kann den zarten Duft der parfümierten Lauge riechen, mit der er sich gewaschen hat. In seinem Haar hausen sicher keine Läuse – ganz im Gegensatz zu dem Gestrüpp, das sein Waffenbruder Swicker von Gemmingen-Streichenberg im Gesicht getragen hat.
Seine Worte schmeicheln so angenehm wie sein Anblick, und
dennoch regt sich Unmut in Julianas Sinn. Warum sind die Männer gekommen? Doch sicher nicht, um ihr Beileid zum Verlust des Vetters und des Vaters auszudrücken!
Die Edelfrau von Gemmingen tritt aus der Tür des Palas und kommt auf die Gäste zu. Juliana beobachtet den Franzosen genau. Er lässt es nicht an Höflichkeit fehlen. Der Wappner hält sich im Hintergrund. Das Mädchen ist froh, dass die Stimme der Edelfrau so gefasst klingt. Ja, ein Fremder hört vermutlich keinen Unterschied zu früher.
Nun, nachdem die üblichen Worte der Höflichkeit gewechselt sind, ist es an der Hausfrau, die Gäste zum Mahl zu laden. Sabrina von Gemmingen kennt ihre Pflichten. Sie geleitet die Templer in den Palas und weist ihnen im Saal die Plätze am Kamin zu – auch wenn dieser im Sommer natürlich kalt ist. Sie ruft die Magd, damit diese süßen Moselwein bringt und die Fleischpasteten, die heute Morgen gebacken wurden.
Juliana folgt ihnen in den Saal und lässt sich ein Stück entfernt auf der Bank nieder. Die Mutter sieht sie an.
»Sagst du bitte Pater Vitus Bescheid, dass wir Besuch haben?«
Das Mädchen schluckt die Widerworte, die in ihr aufsteigen, hinunter und macht sich auf die Suche nach dem Pater. Ein Onkel aus dem Geschlecht der von Gemmingen, der als jüngster Sohn den geistlichen Stand gewählt hat, sich jedoch nicht für das Leben in einem Kloster berufen fühlt. Vor einigen Jahren war er zu Besuch nach Ehrenberg gekommen und geblieben. Seitdem liest er die Messen in der Hauskapelle, wenn die Familie nicht in Wimpfen weilt, betet für das Seelenheil der Verstorbenen und kümmert sich darum, wenn Briefe geschrieben oder Urkunden verfasst werden müssen.
Juliana eilt so schnell zu dem Anbau hinüber, in dem der Pater seine Kammer hat, wie es gerade noch schicklich ist. Will die Mutter sie wegschicken, oder bedarf sie der Unterstützung eines Paters? Jedenfalls will das Mädchen so wenig wie möglich von der Unterhaltung im Saal verpassen. Mit gerafften Röcken
läuft sie die Holztreppe hinauf und klopft energisch an die Tür. Nichts rührt sich.
»Pater Vitus, die Mutter verlangt nach Euch!«, ruft sie und hämmert mit den Fäusten gegen das Holz.
Ein undeutliches Grunzen und Schritte hinter der Tür. Dann erscheint ein verquollenes Gesicht im Spalt. »Was?«
»Wir haben Gäste! Die Templer sind gekommen, und die Mutter verlangt nach Euch«, wiederholt sie ungeduldig.
»Templer?« Pater Vitus sieht sie verdutzt an. »Ich komme sofort. Nur einen Moment.«
Es kommt Juliana wie eine Ewigkeit vor, bis sie endlich wieder hinter dem Pater den Saal betritt. Schon von draußen hört sie die erregte Stimme des Wappners.
»Ich kann es auch nicht fassen«, sagt die Mutter, als sie näher treten, in diesem weichen Tonfall, der Zorn verlöschen und jedes Mal den Geschmack von Schuld und Scham in Juliana aufkeimen lässt. Auch auf den dienenden Bruder scheint er seine Wirkung nicht zu verfehlen. Bruder Humbert senkt den Blick und sieht errötend in seinen Weinkrug. Der Franzose räuspert sich.
»Ihr hattet den Vetter lange nicht gesehen?«
Die Edelfrau nickt. »Ja, seit er ins Heilige Land gezogen ist, kaum dass er den Ritterschlag erhalten hat. Ich wusste nicht, dass er den Armen Rittern Christi beigetreten war. Es war eine Überraschung, ihn im weißen Mantel wiederzusehen.« Der Franzose mustert sie mit unbeweglicher Miene.
»Ach, er schien sich hier so wohl zu fühlen, sprach freundlich mit Juliana und interessierte sich für die Falken, so dass mein Gemahl ihn zur morgendlichen Beize einlud«, spricht Sabrina von Gemmingen voller Wehmut.
»Das könnte des Rätsels Lösung sein«, murmelt der Tempelritter und starrt abwesend in seinen Zinnkrug.
»Wie meint Ihr das?«, meldet sich Pater Vitus zum ersten Mal zu Wort.
Der Franzose schreckt hoch. Die Worte hat er wohl nur zu
sich selbst gesprochen. Auch der Waffenknecht sieht ihn fragend an.
»Nun, der Grund, warum –
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