Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
Edelfrau, wäre es nicht beruhigend, wenn Ihr Euch in Euer Stadthaus nach Wimpfen zurückziehen und all die Sorgen und Entscheidungen in starke Hände legen könntet?«
Darauf will der Kochendorfer also hinaus, denkt das Mädchen. Ja, das passt. Er hat es dem Vater schon immer geneidet, dass er in Abwesenheit des Königs auf der Pfalz das Sagen hat. Aber warum schwänzelt er um die Mutter herum? Sie kann ihm dieses Amt nicht geben. Das kann nur der König. Wäre Arnold von Kochendorf Witwer, könnte man fast glauben, er wollte der Mutter den Hof machen!
Sabrina von Gemmingen seufzt. »Ja, die Last ist schwer, und ich empfinde Furcht davor, dass sie mich niederdrückt.«
Juliana erstarrt. Wie kann sie vor dem Kochendorfer so etwas sagen? Sieht sie nicht die Häme hinter seiner mitfühlenden Miene? Er ist der Wolf, der vor dem Kaninchen den Rachen öffnet – aber nicht um es anzulächeln, sondern um es zu verschlingen!
Fast entgeht Juliana die Bedeutung seiner letzten Worte.
»…und kein Sohn, auf dessen Schultern Ihr einst die Last laden könnt! Wie sehr müsst Ihr da Eure Hoffnung in das reizende Edelfräulein setzen, dass es Euch die starke Hand bringt, derer Ihr bedürft.«
Was? Was redet er da? Sie ist sich Wilhelms Nähe plötzlich wieder unangenehm bewusst, kann aber nicht noch näher an den Pater heranrutschen.
»Wir haben in der Familie ernsthaft darüber beraten, und wir sind uns einig, dass wir die Verfehlungen Eures Gatten Euch und das Fräulein nicht büßen lassen wollen. Eure Ehre ist unangetastet!«
»Ich danke Euch, Ritter von Kochendorf«, haucht Sabrina von Gemmingen, sieht aber noch immer nicht von den Krebsen auf.
»Das sind nicht nur leere Worte! Ich erlaube meinem Sohn, dem Ritter Wilhelm von Kochendorf, dass er sich um das Fräulein bemüht und Euch um ihre Hand bittet.«
Juliana muss husten. Ihr Gesicht läuft rot an. Der Pater und der junge Ritter klopfen ihr auf den Rücken, bis der Krümel Pastete, den sie im Augenblick des Schrecks in die Luftröhre bekam, über den Tisch schießt und neben dem Weinkelch des Tempelritters liegen bleibt. Das Mädchen keucht und bekommt keinen Ton heraus.
Wilhelm hält ihr seinen Weinbecher entgegen. »Trinkt, dann geht es Euch gleich wieder besser.«
Niemals! Lieber will sie hier und jetzt bei Tisch ersticken! Warum sagt die Mutter nichts? Sie muss dieses unverschämte Ansinnen ablehnen. Sie muss den Ritter von sich weisen. Merkt sie denn nicht, wie er seine Hände gierig nach Ehrenberg ausstreckt? Und sicher hofft er, auch noch das Pfalzlehen zu bekommen, wenn der Sohn erst einmal mit den Ehrenbergern durch die Ehe verbunden ist.
Die Mutter hebt langsam den Blick. »Ich danke Euch, Ritter
von Kochendorf, und ich weiß Euren Antrag wohl zu schätzen.«
Juliana ist sprachlos. Sie starrt die Mutter an, unfähig auch nur ein Wort zu bilden. Hat die Mutter ja gesagt? Will sie dieser Verbindung etwa zustimmen? Das kann nicht sein! Der Vater ist dagegen. Er hat es ihr selbst gesagt. Aber der Vater ist fort und wird vielleicht niemals wiederkommen.
»Dann sind wir uns einig«, sagt Arnold von Kochendorf. Damit ist das Thema erledigt, und er wendet sich seinem Tischnachbarn zu.
Die beiden Templer bleiben jedoch auch während des weiteren Mahles zurückhaltend und widerstehen dem Kochendorfer, der immer wieder in sie dringt und etwas von ihren Heldentaten im Okzident erfahren will.
»Da gibt es nichts zu berichten. Bruder Jean war nie dort«, brummt der Wappner, verstummt aber unter dem Blick, den ihm der Franzose zuwirft. Der dienende Bruder greift sich noch ein großes Stück Fleisch und sagt für den Rest des Abends gar nichts mehr.
Juliana findet keinen Schlaf. Als die Mutter sie aufforderte, in ihre Kammer hinaufzugehen, war sie noch zu sehr in ihrem Entsetzen gefangen, um sich gegen diese Anweisung aufzulehnen. Die Gäste sind anscheinend noch nicht müde genug, ihre Lager aufzusuchen, und so bleiben die Edelfrau und Pater Vitus bei ihnen sitzen. Es ist auch für die Herrin ungewohnt. Normalerweise ziehen sich die Damen des Hauses vor Mitternacht in ihre Kemenate zurück, und es ist Aufgabe des Hausherrn, bei den Gästen zu bleiben, bis diese ein Bett begehren. Nun ist der Ritter weg, für lange Zeit, und es ist an der Herrin, seine Pflichten zu übernehmen.
Das Mädchen liegt auf dem Rücken, die Hände über dem Leib gefaltet, und lauscht auf die Geräusche der Nacht. Die alte
Kinderfrau murmelt im Schlaf, dann setzt ihr Schnarchen
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