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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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er in die Nacht. »Seid Ihr hier?«
    Er sucht den Franzosen. Juliana beginnt sich zu fragen, wer in dieser Nacht überhaupt in seinem Bett liegt.
    Der Wappner kommt immer näher. Zu spät denkt das Mädchen daran, sich davonzuschleichen. Nun bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich zwischen Wand und Treppe zu ducken und sich ruhig zu verhalten. Sie wagt kaum zu atmen.
    Bruder Humbert erreicht die unterste Stufe. Seine Hand umschließt das Geländer, der Blick wandert nach oben. Leichtfüßiger, als man es ihm bei seinem Körperbau zugetraut hätte, erklimmt er die steilen Stufen, überquert den Steg und erreicht kurz darauf die Tür, die ihn in den Bergfried führt. Juliana hört sie leise knarren.
    Was um alles in der Welt will der Templerbruder nachts im Turm? Neugier und Angst ringen in ihr miteinander. Als die
Neugier für einige Augenblicke die Oberhand gewinnt, schlüpft das Mädchen unter der Treppe hervor und hastet mit gerafftem Hemd die Stufen hinauf. Sie drückt die Tür mit der Schulter auf, zwängt sich durch den Spalt und lässt sie hinter sich wieder zugleiten. Ihr Brustkorb hebt und senkt sich in raschem Wechsel. Es fällt ihr schwer, leise zu atmen. Sie zählt in Gedanken mit und versucht, sich zur Ruhe zu zwingen. Sie lauscht. Wo ist der Wappner hingegangen? Will er zur Plattform hinauf? Ein Zittern überfällt sie. Ist der Türmer in Gefahr? Sie schilt sich selbst ihrer überspannten Phantasie wegen. Warum sollte der Templer das tun? Außerdem kann sie keine Schritte von oben hören. Dafür dringt ein Geräusch aus der Tiefe zu ihr herauf. Noch bevor sie sich darüber Gedanken machen kann, erhebt sich ganz in der Nähe die Stimme des dienenden Bruders: »Ritter Jean, Bruder, seid Ihr das?«
    Das Mädchen kann nur mit Mühe einen Aufschrei verhindern. Sie presst ihren Rücken gegen die Tür, um das Zittern, das von ihren Beinen aus den ganzen Körper zu überschwemmen sucht, zu unterdrücken.
    »Humbert?«, dringt die französisch gefärbte Aussprache aus der Finsternis herauf. »Was tust du hier?« Er fügt etwas an, das Juliana nicht versteht, das aber verdächtig nach einem Fluch klingt.
    »Das Gleiche könnte ich Euch auch fragen«, murmelt der Servient.
    »Was? Ich verstehe dich nicht. Los, komm herunter, und hilf mir, wenn du schon in der Nacht herumschleichst. Hast du einen Kienspan dabei? Meine Lampe ist mir erloschen.«
    Juliana hört, wie sich der Mann in die Tiefe tastet, dann ist es für einige Augenblicke ruhig. Ein Rascheln und ein Klicken durchbrechen die Stille, und ein Flämmchen rötet die Mauersteine. Sie hört die Männer stöhnen, und dann ein metallenes Geräusch. Ein unterdrückter Schrei steigt zu ihr empor. Vorsichtig schiebt sie sich eine Stufe nach der anderen hinab. Was tun die Männer da?
    »Oh Herr«, stöhnt der Wappner, »riecht Ihr das?«
    »Wie auch nicht!«, knurrt der Franzose. »Meine Sinne funktionieren noch bestens. Los, gib die Fackel her, vielleicht kann ich etwas erkennen.«
    Das Mädchen fragt sich nur für einen Moment, was die Männer meinen könnten, als ein stechender Geruch sie einhüllt. Er lässt sie an Erbrochenes denken. Juliana schlägt sich die Hand vor Mund und Nase, um nicht zu würgen.
    »Was um alles in der Welt…?« Sie hört einen Pfiff aus der Tiefe.
    »Eine Leiche«, stellt der Franzose fest. »Nicht wirklich frisch. So etwas habe ich noch nie gesehen. Was ist das für ein gelbes, schmieriges Zeug? Und wie das stinkt!«, sagt der Wappner gepresst. »Aber sieh dir die Sporen an! Er war ein Ritter, und so, wie es aussieht, ist er in diesem Verlies kläglich verhungert.«
    Juliana spürt, wie ihre Knie nachgeben. Sie rutscht an der Wand entlang immer tiefer, bis sie auf der eisigen Treppenstufe sitzt. Ihr Magen krampft sich zusammen.



13
Auf der alten Römerstraße
     
    S ie hörte sich selbst schreien, dass es in ihren Ohren schrillte. Der Franzose beugte sich vor und öffnete die Lippen zu einem bösen Grinsen. Sein Haar fiel nach vorn. Warum war es plötzlich blond und so lang? Es wuchs sogar noch und wucherte ihm über Rücken und Brust. Auch seine Züge waren anders, kamen ihr aber bekannt vor, so als sei sie ihm erst kürzlich begegnet. »Jetzt habe ich dich endlich«, sagte er.
    Juliana schrie noch immer. Der Ritter zog einen Dolch aus dem Gürtel. »Sei sofort ruhig, sonst wirst du sein Schicksal teilen!« Er deutete hinter sich, wo der Wappner stand, eine halb zerfallene Leiche in den ausgestreckten Armen. Der Verwesungsgestank

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