Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
Schicksal ihm so unerwartet den Vater aus dem Weg geräumt hatte. Dabei war es überhaupt nicht sicher, dass König Albrecht das Amt in der Familie beließ. Aber wenn, dann würde es Julianas Ehemann bekommen. Und der sollte dann – ging es nach den Kochendorfern – Wilhelm von Kochendorf-Ehrenberg heißen.
»Träumst du?«
»Was?«, Julianas Wangen wurden feuerrot. »Verzeiht, was habt Ihr gefragt?«
»Ob du weißt, woher dieser Bruder Rupert stammt? Ist das sein richtiger Name?«
»Ich kenne ihn nur unter diesem«, erwiderte Juliana so abweisend wie möglich. Langsam wurde ihr seine Neugier zu viel. »Er hat mir weder den Ort seiner Geburt noch den seines Klosters genannt. Warum wartet Ihr nicht bis morgen und fragt
ihn selbst?«, fügte sie ein wenig schnippisch hinzu und erhob sich.
Der Ritter leerte seinen Becher zum dritten Mal. »Das ist ein guter Gedanke, Johannes. Ich werde deinen Rat befolgen.«
»Eine gesegnete Nacht«, wünschte das Ritterfräulein und wandte sich zur Tür.
»Dir ebenso – ach, da fällt mir noch etwas ein. Bist du auf deiner Wanderung zufällig einem Mädchen von siebzehn Jahren begegnet? Blond – aus Franken, so wie du?«
Juliana musste sich am Türrahmen festklammern, um nicht zu straucheln. Ihre Stimme klang heiser. »Nein, man trifft unter den Pilgern nicht viele Frauen. Sie wäre mir aufgefallen. Warum sucht Ihr sie?«
Der Ritter musterte sie nachdenklich. »Ein Mädchen – ein Fräulein – in diesem Alter allein auf der Straße? Was glaubst du wohl, was eine besorgte Mutter nicht alles tun würde, um sie vor den Gefahren der Welt zu schützen.«
»Da habt Ihr wohl Recht«, krächzte Juliana, nickte ihm noch einmal zu und schwankte den Gang zum Schlafsaal hinunter.
Wer war dieser Ritter? Sie suchte in ihrem Gedächtnis nach allen edlen Männern, denen sie bei Turnieren oder Festen vorgestellt worden war, konnte aber Raymond de Crest nicht in ihrer Erinnerung finden. Hatte wirklich die Mutter ihn geschickt? Oder log er? Wenn ja, was für einen Grund konnte es sonst geben, dass er nach ihr suchte? Das Mädchen lag unter der kratzigen Decke und starrte in die Dunkelheit. Der Schlaf wollte nicht kommen. Warum? Ihr fiel keine Erklärung ein.
Sollte sie sich ihm zu erkennen geben und ihn einfach fragen?
Nein! Selbst wenn seine Version stimmte, zwang er sie womöglich, mit ihm umzukehren und sofort nach Hause zurückzureisen. Sie war nicht so weit gegangen, um nun aufzugeben. Sie würde den Vater finden und eine Erklärung von ihm verlangen!
12
Ein toter Ritter
Burg Ehrenberg im Jahre des Herrn 1307
S ie ist angemessen gekleidet, das lange Haar kunstvoll mit dem Schapel verflochten, bis das Essen aufgetragen wird, kann es allerdings noch dauern. Unruhig geht Juliana im Hof auf und ab. Warum hat die Mutter sie weggeschickt? Was hat sie mit den Gästen gesprochen, bis sie endlich in die Kemenate hinaufkam, um sich ebenfalls ein anderes Gewand anzulegen. Obwohl das Mädchen weiß, dass die Mutter Neugier verurteilt, stellt sie die Frage. Die Edelfrau bleibt hart. Nichts, was die Tochter wissen müsste.
»Ich will es aber wissen«, schimpft Juliana, während sie auf dem dunklen Hof auf und ab geht.
Am Tor entsteht Unruhe. Die Torflügel schwingen auf. Juliana tritt näher, um zu sehen, wer zu so später Stunde Einlass begehrt. Es muss jemand sein, der auf Ehrenberg gut bekannt ist, sonst würden sich die Wachen nicht erlauben, den Besucher ohne Anweisung der Edelfrau einzulassen. Neugierig reckt das Mädchen den Hals und bleibt dann unvermittelt stehen, als sei es gegen eine Wand geprallt. Es sind Vater und Sohn von Kochendorf, die so spät von Guttenberg herüberkommen. Juliana schneidet eine Grimasse. Mag der Vater noch angehen, so ist der Sohn sicher keine angenehme Bereicherung der Abendtafel.
Ritter Arnold von Kochendorf geht zielstrebig auf den Palas zu. Er ist sozusagen der Ehrenberger Nachbar, seit er für die Herren von Weinsberg Burgvogt auf Guttenberg ist. Die Familienburg Lehen, unten in Kochendorf, musste seine Familie vor etlichen Jahren aufgeben. Seitdem lebt dort Ritter Siegfried Greck mit seiner Familie, der sich nun auch von Kochendorf nennen
kann. Ein dunkler Fleck in der Geschichte der alten Familie von Kochendorf, über den sie nicht zu sprechen wünscht.
Juliana zieht bei dem Gedanken verächtlich die Lippe hoch und beschließt, zumindest gegenüber dem jungen Wilhelm das schmerzliche Thema zu erwähnen! Lautlos will sie sich
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