Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
Ufer schon fast erreicht, als Juliana ihnen endlich folgte. Zaghaft tastete sich das Mädchen ins Wasser. Es war überraschend kalt und klar. Sie konnte ihre nackten Zehen zwischen Sand und Kies sehen. Schlanke, silberne Fischleiber schossen davon. Ein Gespinst von Algen wogte in der Strömung auf und ab. Auf der anderen Seite angekommen ließen sich die beiden Mönche im Schatten einer Weide nieder. Auch das Mädchen flüchtete vor der gnadenlosen Sonne. Sorgfältig bedeckte sie die Knie mit ihrem Kittel.
»Was für ein mörderisch heißes Land«, schimpfte Ritter
Raymond und löste den Schwertgurt. Ehe Juliana begriff, was er vorhatte, zog er sich Waffenrock, Kettenhemd und Cotte über den Kopf und warf sie ins Gras. Er öffnete die Bänder und ließ die Bruech herabgleiten. Völlig nackt stand er vor den Begleitern.
»Wollt ihr nicht auch ein kühles Bad nehmen?«, fragte er ungezwungen in die Runde. André kaute unschlüssig auf der Unterlippe, Pater Bertran schüttelte den Kopf und legte die Arme schützend um seinen dürren Leib, so als friere er bereits bei dem Gedanke, sich bis zum Hals ins Wasser begeben zu müssen.
»Und Ihr?«
»Warum nicht«, stimmte Bruder Rupert zu. Sein Blick ruhte jedoch auf dem jungen Gesicht neben ihm, das abwechselnd rot und blass wurde. Der Bettelmönch erhob sich, stellte sich neben Ritter Raymond und zog sich Kutte und Hemd über den Kopf.
Juliana hielt den Atem an und wusste nicht, wo sie den Blick hinwenden sollte. Natürlich hatte sie auch früher schon nackte Männer gesehen. Die Bauern und Burgmannen badeten häufig in den seichten Nebenarmen des Neckars oder in den Tümpeln im Wald, an denen man vorbeiritt, wenn man den Weg über den Bergrücken von Ehrenberg zur Pfalz nahm. Allerdings hatten noch nie zwei nackte Herren so nah vor ihr gestanden, dass sie fast gezwungen war, ihre Männlichkeit zu betrachten. Zu allem Überfluss entschied sich nun auch noch André für ein Bad.
»Komm doch mit«, drängte er das Ritterfräulein. »Eine Abkühlung tut uns allen gut. Es sind sicher noch ein paar Stunden, bis wir Stella erreichen.«
»Nein, ich möchte lieber nicht«, würgte sie hervor und hätte sich am liebsten noch den Umhang übergeworfen, um sich vor den Männern zu verstecken.
»Aber ja, unser junger Freund hat Recht. Komm mit ins Wasser, Johannes!« Bruder Rupert trat noch einen Schritt näher und griff nach ihren Händen, um sie hochzuziehen. Es blieb
ihr gar nichts anderes übrig, als an seinem Körper hinaufzusehen. Er hatte kräftige, wohlgeformte Beine, seine Hüften waren schmal, der Bauch flach. Der weiche Ring der Trägheit, der die Mitte des Vaters inzwischen zierte, fehlte dem Bettelmönch. Rasch huschte ihr Blick über die Körperteile in ihrem Nest aus krausem, dunklem Haar, die den Mann ausmachten, zu seiner muskulösen Brust und den Armen hinauf. Wieder einmal fragte sie sich, wo er sich die hässlichen Narben zugezogen hatte.
»Was ist, Freund Johannes?«
Sie entwand sich seinem Griff. »Nein! Ich will nicht!«, stieß sie hervor. Er lächelte spöttisch zu ihr herab. »Nun denn, wenn wir dich nicht überreden können.«
Die drei nackten Männer rannten die grasige Böschung hinunter und ließen sich in den Fluss fallen. Hier, ein Stück von der Furt entfernt, reichte ihnen das Wasser bis an die Brust. Sie tauchten unter, prusteten und seufzten erleichtert.
Das Brennen in Julianas Wangen ließ nach. Sie sah den drei Begleitern beim Baden zu.
»Ich bezweifle, ob das der Gesundheit dient«, sagte Pater Bertran mit schmalen Lippen. »Der Liber Sancti Iacobi weist darauf hin, dass die Flüsse Navarras schlechtes Wasser führen. Gerade vor dem Río Salado warnt er und rät, schnell nach Stella weiterzuwandern.
»Habt Ihr dieses Buch gelesen?«, fragte Juliana. »Ach deshalb wisst Ihr so viel über die Orte an unserem Weg«, rief sie aus, als er nickte. »Ihr habt Euch wirklich gut auf Eure Pilgerreise vorbereitet.« Der alte Augustinerpater sagte nichts.
»Wenn das Buch die Wahrheit sagt, dann sollten wir unsere Flaschen hier nicht auffüllen«, fügte das Mädchen hinzu.
»Was soll mit dem Wasser nicht in Ordnung sein?«, fragte Bruder Rupert, der herangetreten war. Er schüttelte sein kurzes, nasses Haar, dass die Tropfen flogen.
»Es ist salzig, wie der Name des Flusses schon sagt.«
»Ist mir nicht aufgefallen.«
»Und vielleicht auch voller Gift«, gab der Augustinerpater
Auskunft. »Jedenfalls will der Schreiber hier zwei Navarresen
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