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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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hilft, da dieser auf seinen alten Beinen nur noch selten herabsteigt. Willfried hält die Fackel hoch und starrt die ungewöhnliche Gesellschaft mit großen Augen an. Nun tritt auch der Wappner hinzu, einen Stiefel in der Hand, aus dem ein Knochen ragt, von einer gelblichen Substanz umhüllt. Der Gestank der nur unvollkommen verwesten Leiche hängt noch immer in der Luft und zieht nun durch das Tor hinaus, das der Franzose geöffnet hat.
    »Bei allen Heiligen, was geht hier vor sich?«, stößt der Türmer aus. Jetzt erst erkennt er in dem Mädchen im Hemd die junge Herrin wieder. »Fräulein Juliana! Was ist Euch geschehen? Was haben Sie Euch getan? – Lasst sie sofort los!«, herrscht er den Franzosen an und zieht drohend sein kurzes Schwert aus der Scheide.
    Jean de Folliaco zieht eine verächtliche Miene und tritt zurück. »Ich habe gar nichts mit ihr gemacht. Ich habe das schreiende Ding lediglich gestützt, doch ich habe nichts dagegen, wenn du sie zum Palas zurückführst, ehe sie mir noch einmal mein Gewand beschmutzt.«
    Juliana klammert sich an den Arm des jungen Wachmannes und steigt mit zitternden Knien die Holztreppe hinunter in den Burghof. Die Männer am Tor haben anscheinend bemerkt, dass etwas Ungewöhnliches auf der Burg vor sich geht. Einer der Wächter kommt auf sie zu und folgt ihnen bis in die dunkle Halle. Ein wenig ratlos stehen sie alle da.
    »Man muss die Herrin wecken«, sagt der Türmer unsicher. Juliana klammert sich noch immer an seinen Arm und scheint nicht bereit, ihn wieder loszulassen. So schickt Willfried den Wächter, den Pater und eine der Mägde zu wecken, damit sie zur Kemenate hinaufsteigt. Behutsam löst er die Umklammerung des Mädchens und schiebt sie auf eine Bank. Die Hand am Schwertgriff bleibt er neben ihr stehen. Die Templer setzen sich ihr gegenüber. Alle vier schweigen, während die Burg um sie herum erwacht.
     
    Kurz darauf ist das Feuer im Kamin in der Halle wieder angefacht, und ein paar Fackeln beleuchten die seltsame Gesellschaft, die sich zu dieser nächtlichen Stunde zusammengefunden hat. Die Edelfrau trägt nur eine Cotte und ihren Umhang, und auch Juliana sitzt im Hemd und dem Mantel da, den das Kinderfräulein ihr heruntergebracht hat. Ein Wunder, dass es der Mutter gelang, sie mitten in der Nacht zu wecken, denkt Juliana, um ihre Gedanken auf ungefährliches Terrain zu lenken. Selbst Pater Vitus sitzt mit am Tisch und sieht erstaunlich nüchtern aus. Sein Haar klebt ihm tropfnass am Schädel. Vielleicht hat die Mutter ihm den Wasserkrug über den Kopf geschüttet? Julianas Lippen zucken bei der Vorstellung. Wie gut es tut, sich auf die Lächerlichkeiten des Alltags zu konzentrieren.
    Alltag? Ihr Blick schweift vom Templer, der den dunklen Umhang auf den Boden geworfen hat und nun in einem ungewöhnlich einfachen Rock aus grobem Stoff ihr gegenübersitzt, zu dem Wappner an seiner Seite, der finster auf den Tisch starrt, dann zu den beiden Wächtern, die unschlüssig hinter ihnen stehen, zu Vater und Sohn von Kochendorf, die verschlafen und verwirrt in die Runde sehen, und schließlich zum Pater und der Mutter. Die Kinderfrau hat sich mit den Mägden und Knechten, die die Edelfrau mit strengem Ton in ihre Betten geschickt hat, zurückgezogen.
    Der Franzose redet und gestikuliert. Immer mehr französische Brocken mischen sich unter die deutschen Worte. Juliana
fällt es schwer zu begreifen. Er spricht von Morden, von Heimtücke und von Schuld. Von Wölfen im Pelz von Lämmern – haben Lämmer einen Pelz? Wen meint er damit? Den Vater? Ein Ritter ist kein Lamm! Ein Ritter muss kämpfen können, sich und seine Familie verteidigen, und, wenn es Not tut, auch töten.
    Der Sumpf sei tiefer, als man denken könne, sagt er und schlägt mit der Faust auf den Tisch. Ob zwei Morde nicht genug seien? Ob die Edelfrau diese Schändlichkeiten weiter decken wolle?
    Schüchtern räuspert sich Pater Vitus, und als der Franzose endlich Luft holen muss, wirft er seine Frage ein. »Was mich verwundert, Herr Tempelritter, was hattet Ihr, in einen dunklen Mantel gehüllt, mitten in der Nacht dort im Turm verloren?« Pater Vitus kneift die blutunterlaufenen Augen zusammen und fixiert den Franzosen. Er scheint in diesem Augenblick nüchterner, als das Edelfräulein ihn jemals erlebt hat, und sie muss ihm im Stillen Beifall zollen. Ja, das fragt sie sich auch. Wusste er von dem Toten? Hat er nach diesem gesucht? Aber wie konnte das sein? War er nicht höchst überrascht, die

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