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Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)

Titel: Das Siegel des Templers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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hier nennen die Figur auf Baskisch Virgen del Txori, das heißt Jungfrau des Vogels, denn es ist für sie ein Wunder, dass von Zeit zu Zeit ein Vogel die Jungfrau von Schmutz und Spinnweben befreit und ihr das Gesicht wäscht. Dann läuten sie die Glocken und lesen eine Messe.«
    Die fünf Wanderer folgten ein Stück dem Flussufer, dann verließ der ausgefahrene Karrenweg das Wasser und führte wieder nach Westen. Felsige Wände ragten aus dem Gebüsch, das sich die steilen Talhänge hinaufzog. Sie sahen das Spital »extra muros« etwas abseits liegen. Zwei an Armen und Beinen verkrüppelte Gestalten saßen vor dem kleinen Steingebäude auf einer Bank in der Sonne. Schaudernd beschleunigte Juliana ihren Schritt. Den Siechenden und Aussätzigen wollte sie lieber nicht zu nahe kommen.
    Der hagere Mönch von der Brücke stellte sich als Pater Bertran vor. Das Mädchen vermutete, dass er die sechzig bereits erreicht hatte. Sein Gesicht war gebräunt und von tiefen Falten durchzogen. Die Hände, die aus den Ärmeln der Kutte ragten, waren fast so knochig wie bei einem Skelett. Er trug nur Sandalen an den Füßen. Bei manchem Schritt konnte das Mädchen sehen, dass sich unter den Zehennägeln bläuliche Blutergüsse gebildet hatten. Um seinen linken Knöchel war ein schmutziges Tuch geschlungen. Dennoch hielt er problemlos mit den anderen Schritt. Vielleicht war er ein Augustiner, überlegte das Ritterfräulein. Trugen diese Mönche nicht schwarze Kutten und Tonsur?
    Sie stiegen einen schmalen Pfad zwischen den Felsen hoch. Der Lehm an den Rändern des Weges war von hellem Ocker, das Gras trocken und braun. Juliana war am Berg ein Stück zurückgefallen und holte die anderen, nun da es flacher wurde, mit raschen Schritten wieder ein.
    »Sie haben dort drüben eine Ansiedlung«, sagte der asketische Mönch gerade zu Ritter Raymond.
    »Wer?«, mischte sich André in das Gespräch ein. »Die Templer?« Seine Augen begannen zu leuchten.
    »Ja, die Templer«, bestätigte Pater Bertran. »Sie führen ein kleines Hospital, doch ich denke, es gibt keinen Grund, einen Umweg dorthin zu machen.«
    Für André allerdings Grund genug, seine schwärmerischen Reden über die Tempelritter vom Vortag fortzusetzen. Bruder Rupert verdrehte gequält die Augen, ließ sich heute aber nicht provozieren.
    Juliana sah zu Boden und lächelte in sich hinein. Der Weg hatte sich verändert, und es war ratsam, auf seine Füße zu achten. Er führte zwar immer noch bergauf, statt einem staubigen Karrenweg folgten sie nun jedoch einer gepflasterten Straße. In der Mitte waren unregelmäßige Steine wie zu Mosaiken zusammengesetzt, die Ränder bildeten behauene Steinplatten. Je ein Steinbogen überspannte kleine Bäche und Ablaufgräben. Die Straße schien schon recht alt, war sie doch an vielen Stellen beschädigt. Steine fehlten, und der Regen hatte tiefe Mulden ausgewaschen.
    »Haben die Menschen von La Puent de la Reyna diesen Weg gebaut?«, wunderte sich Juliana.
    Pater Bertran schüttelte den Kopf. »Das waren die großen Eroberer des Römischen Reiches, die fast ganz Hispanien beherrschten. Diese Straße führte einst von Bordeaux bis nach Astorga . Sie haben hier in den Bergen nach Edelsteinen und Metallen gegraben. Unglaubliche Mengen Gold wurden aus der Kolonie nach Rom gebracht.
    Das Römische Reich? War das nicht zu der Zeit gewesen, als der Herr Jesus Christ gelebt hatte und unter ihren Händen gestorben war? – Nein, nicht die Römer, die Juden hatten seine Hinrichtung verlangt, erinnerte sich das Mädchen.
    »Der ganze Weg von Bordeaux nach Astorga war gepflastert?« Juliana schüttelte ungläubig den Kopf. Sie hatte nur eine
ungefähre Vorstellung, wo Bordeaux lag. Irgendwo in der Gascogne oder im Herzogtum Aquitanien. Und Astorga war noch viele Tagesmärsche im Westen vor ihnen.
    »Aber ja«, stimmte Pater Bertran zu. »Sie hatten ja genug Sklaven zur Verfügung aus all den Gebieten, die sie erobert haben. Woher stammst du? Aus Franken? Selbst dort errichteten sie ihre Wälle und Zäune und große Kastelle, um sich die wilden Germanen vom Leib zu halten.«
    Nun fiel Juliana die Geschichte wieder ein, die der Dekan Gerold von Hauenstein ihr erzählt hatte. An der Stelle, an der sich heute das Stift St. Peter mit seinem Lindenplatz und den Häusern der Stiftsherren erhob, ja selbst der ganze Ort mit den Hütten der Fischer, Bauern und Handwerker, war einst ein römisches Kastell gewesen und eine Stadt an der Straße von Heilbronn nach

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