Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
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»Ich muss mich nach jemand anderem umsehen, der mehr Erfahrung mitbringt und bei dem ich mir sicher sein kann, dass unser Sohn an Leib und Seele keinen Schaden nimmt. – Erst gestern habe ich gehört, wie sie geflucht hat!«
Juliana verdreht die Augen. »Mutter, er ist zwei Jahre alt und ein dickköpfiges Kerlchen. Es tut ihm nur gut, wenn sie ihm nicht alles durchgehen lässt. Ich will keinen Tyrannen als Bruder!«
»Dennoch darf es ihm an nichts fehlen«, beharrt die Edelfrau, »du weißt, wie froh der Vater ist, endlich seinen Erben aufwachsen zu sehen, nachdem die anderen alle gestorben sind.«
Seufzend nickt das Fräulein. Sie liebt ihren Bruder, doch manches Mal sticht die Eifersucht in ihrem Herzen. Wie die Eltern das kleine, pummelige Wesen ansehen! Sie bemerken anscheinend nicht einmal, wenn seine Windeln stinken und sein Gesicht und der Kittel verschmiert sind. Aber wehe, die Zöpfe der Tochter sind nicht streng geflochten!
»Es ist mir nicht wohl, ihn zu diesem Trubel nach Guttenberg mitzunehmen«, sagt die Mutter, »aber der Ritter ist so stolz auf
seinen Sohn, dass er ihn jedem zeigen will. Und schließlich kann ich ihn ja nicht allein hier zurücklassen.«
Juliana verzichtet, die Mutter darauf hinzuweisen, dass auf Ehrenberg ein halbes Dutzend Wächter, ein paar Knechte, Mägde, die Köchin und der Türmer zurückbleiben werden. Das zählt in den Augen der Edelfrau nicht.
»Ich habe einfach kein Vertrauen zu Birgitta. Sie ist nachlässig und vergesslich. Wie schnell kann einem kleinen Kind bei einem solchen Fest etwas zustoßen. Und ich werde nicht die Möglichkeit haben, ihn ständig im Auge zu behalten.«
Juliana kneift die Augen zu. Bitte nicht, betet sie tonlos, aber die Mutter fährt fort: »Es wäre mir eine große Beruhigung, wenn ich wüsste, dass du nach Johannes siehst. Juliana, du bist doch mein ganzer Stolz, meine große, fast erwachsene Tochter!«
Was kann sie da anderes sagen als: »Ja, Mutter«, obwohl ihr die Enttäuschung Tränen in die Augen treibt. Sie will die Ritter sehen und die Damen, vielleicht sogar mit auf das Feld hinausgehen, wo die Falken in die Luft steigen, und nicht hinter dem trotzigen Bündel herlaufen! Plötzlich findet sie es nicht mehr so schlimm, sollte der Herrgott am folgenden Tag Regen schicken.
Schon im Morgengrauen sind alle Bewohner von Burg Ehrenberg auf den Beinen.
»Es ist kein Wölkchen am Himmel zu sehen«, versichert die alte Kinderfrau dem Fräulein, als sie ihr in ihre lange Seidencotte hilft, die im Schein der aufgehenden Sonne in der Farbe einer reifen Aprikose schimmert.
»Ja, gut«, murmelt ihr Schützling ohne rechte Begeisterung und hebt die Arme, damit Gerda die Schnürungen zuziehen kann.
»Es wird ein wundervolles Fest«, gurrt die Alte, »und Ihr, mein Kind, werdet von allen Rittern bewundert werden!« Vorsichtig
nimmt sie den tiefblauen Surkot von der Truhe und zieht das Gewand mit der kurzen Schleppe geschickt über den Kopf ihres Schützlings. Normalerweise würde Juliana sie nun anweisen, den Stoff so eng wie nur möglich an den Leib zu schnüren, doch heute schweigt sie. Gerda nestelt die neuen, bestickten Ärmel an der Schulter fest. Sie sind vorn weit geschnitten und können einmal umgeschlagen werden, damit man den Stoff der Cotte darunter sehen kann.
»Euer Haar leuchtet wundervoll auf dem blauen Stoff«, freut sich die Kinderfrau. »Ich werde die Locken bürsten und nur ein paar Strähnen in das Schapel flechten.«
»Mach, wie du willst«, sagt das Mädchen gleichgültig. Gerda sieht sie verwundert an, sagt aber nichts. Stattdessen nimmt sie die Bürste zur Hand. Leise summt sie vor sich hin, während die Borsten durch das blonde Haar gleiten.
Nach einer Schale Milchsuppe unten in der Halle mahnt der Vater zum Aufbruch. Der Stallmeister und sein Bursche haben die Pferde bereits gesattelt und in den Hof geführt. Der Blick des Ritters ist auf seinen Sohn gerichtet, der in seinen engen Beinlingen und dem rotsamtenen Rock ein liebliches Bild abgibt. Sein Haar ist so blond wie das seiner Schwester und ringelt sich in Löckchen um sein Haupt.
»Komm her, mein Sohn. Du wirst mit mir reiten«, sagt der stolze Vater und hebt den Kleinen auf den Rücken des kräftigen Streitrosses. Die Edelfrau presst die Lippen zusammen, sagt aber nichts. Juliana lässt sich vom Stallmeister in den Sattel helfen.
»Ihr seht wundervoll aus, Fräulein, wenn Ihr mir gestattet, das so auszudrücken.«
Sie schenkt ihm ein
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