Das Siegel des Templers: Roman (German Edition)
unterschieden sie sich – soweit das Mädchen das an ihrem zweiten gemeinsamen Tag mit Ritter de Crest beurteilen konnte. Carl hatte ein offenes Gesicht, und sein Mund zeigte meist ein Lächeln, während de Crest die Lippen finster zusammengepresst hielt. Auch erzählte der Weinsberger gern spannende oder lustige Geschichten, während Raymond de Crest nur für die – seiner Meinung nach – notwendigsten Äußerungen den Mund öffnete. Dafür war Peter Bertran heute aufgeräumter Stimmung. Schon am Morgen hatte er lebhaft mit zwei der Padres gesprochen, während die anderen noch unausgeschlafen ihren Brei löffelten. Sie redeten in solch einer Geschwindigkeit Spanisch, dass das Ritterfräulein nicht einmal eine Ahnung davon bekam, worum es ging. Auch warfen die beiden Benediktiner der kleinen Gruppe immer wieder Blicke zu, die das Mädchen nicht zu deuten wusste.
Nun wanderten sie bereits seit Stunden unter der immer höher steigenden Sonne. Am Horizont zog sich ein graues Felsplateau entlang. Die Landschaft um sie herum war karg, kein Grün erfreute den Blick, der nur über blanke Erde und dürres Gras glitt. Jeder Schritt wirbelte den Staub auf, der ihren Kleidern alle die gleiche Färbung verlieh, auf der schweißnassen Haut eine stumpfe Kruste bildete und die Kehlen ausdörrte.
Der Schatten eines Steineichenhains ließ die Wanderer aufatmen. Nur zu schnell mussten sie unter der heißen Sonne den nächsten Hügel erklimmen. In der Ferne zogen Schafe vorbei, in einer Talrinne lagen ein paar sorgsam von Steinen und Dorngestrüpp umgrenzte Felder, deren Ernte jedoch bereits eingebracht war. Schon eine ganze Zeit lang strebten die Wanderer auf einen kegelförmigen Berg zu, auf dem sich eine Burg erhob.
»Müssen wir da hinauf?«, stöhnte André, der schon wieder zu humpeln begann. »Nun, vielleicht bekommen wir dort wenigstens Wasser für unsere Flaschen«, fügte er hoffnungsvoll hinzu.
Pater Bertran schüttelte den Kopf. »Nein, der Weg führt nur durch die Ansiedlung, die sich dort hinten den Hügel hinaufzieht. Dort werden wir Wasser finden. San Esteban brauchen wir nicht zu erklimmen.
»Welch guten Führer haben wir gefunden«, sagte der Bettelmönch. »Ihr sprecht Spanisch und Französisch, Latein und auch ein wenig Baskisch, habe ich gehört, und keine Burg und kein Dorf an unserem Weg sind Euch fremd.«
»Ja, und?«, gab der Pater zurück, der sich noch immer sehr gerade hielt, obwohl heute auch die beiden großen Zehen mit einem Verband umwickelt aus den Sandalen ragten. Die beiden Männer musterten sich abschätzend. Juliana war, als könne sie die Spannung fühlen. Bruder Rupert zuckte mit den breiten Schultern. »Es ist schön und für uns alle von Vorteil, dass Ihr diese Gegend und ihre Sprachen so gut kennt.«
»Ich bin viele Jahre durch die Länder Hispaniens gereist«, gab der Pater widerstrebend zu.
»Und das deutsche Reich? Habt Ihr auch den Süden des alten deutschen Reiches besucht? – Und versteht Ihr die Sprache, die wir in Franken sprechen?«, fügte der Bettelmönch in Deutsch hinzu.
»Was habt Ihr gesagt? Nein, ich war nicht im Osten.«
»Unser lieber Bruder hier hat überprüft, ob Ihr seine Sprache versteht«, erklärte ihm Ritter Raymond. »Aber offensichtlich nicht.«
Der Pater kniff die Lippen zusammen, als habe er auf eine unreife Frucht gebissen. »Neugier ist keine Tugend«, fauchte er. »Ich dachte, sie wäre vor allem bei den jungen Burschen verbreitet, doch Ihr steht ihnen in nichts nach.« Er schwieg, bis sie außerhalb der Siedlung ein kleines Gebäude mit Giebeldach erreichten. Pater Bertran blieb stehen und deutete auf den doppelten Rundbogen, der ins Innere führte.
»Wollt Ihr eure Flaschen auffüllen? Dann geht hinab. Das Wasser der Zisterne ist gut. Schon die Mauren sollen hier Wasser geschöpft haben.«
Nacheinander betraten sie das Gebäude und stiegen die breiten Steinstufen bis zum Wasserspiegel hinunter. Wie dunkel und kühl es hier drinnen war. Am liebsten hätte Juliana Schuhe und Beinlinge ausgezogen und ihre Füße im Wasser gekühlt. Bruder Rupert jedoch stapfte schon weiter auf die stellenweise eingestürzte Stadtmauer zu, passierte das offene Tor, dessen Flügel halb aus den Angeln gerissen waren, und schritt durch die Gassen an der Kirche vorbei, um dann im Westen die Stadt wieder zu verlassen.
Noch immer war die Landschaft trocken und karg, nun säumten jedoch immer wieder Weinstöcke den Weg, der sanft bergab führte. Vom Wasser der
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