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Das Sigma-Protokoll

Das Sigma-Protokoll

Titel: Das Sigma-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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sanfterer Stimme.
    »Gut möglich«, meinte sie trocken.
    »Ich war der Annahme, dass man Sie für einen bestimmten Auftrag anfordert. Aber vielleicht sind Sie ja selbst der Auftrag.«
    »Wie bitte?«
    »Vielleicht sind Sie ja das Objekt der Untersuchung«, erklärte Dupree mit jetzt butterweicher Stimme. Es war offensichtlich, dass ihm der Gedanke gefiel. »Würde mich nicht überraschen. Sie sind ein ganz stilles Wasser, Agent Navarro.« Duprees Saufkumpane lachten.
    Sie rutschte mit dem Stuhl etwas zur Seite, damit das Licht sie nicht mehr blendete.

    Seit sie im Holiday Inn in Detroit Zimmer im selben Stock bewohnt hatten und sie seine alkoholseligen, unmissverständlichen Avancen abgelehnt hatte (höflich, ihrer Meinung nach), hatte er in die von ihr vorgetragenen Beurteilungen immer wieder kleine herablassende Bemerkungen eingestreut - wie Fliegenschisse: ... kann man im günstigsten Fall mit ihrem offensichtlich begrenzten Interesse entschuldigen... Fehleinschätzungen, die weniger auf Inkompetenz als auf Nachlässigkeit zurückzuführen sind...
    Später hatte sie gehört, dass er sie gegenüber einem männlichen Kollegen als »latente Klagedrohung wegen sexueller Belästigung« bezeichnet hatte. Außerdem war ihr von ihm das vernichtendste Etikett angeklebt worden, das man sich in der Abteilung einhandeln konnte: Sie ist kein Teamspieler. Kein Teamspieler zu sein hieß, dass sie mit den Jungs, einschließlich Dupree, nicht um die Häuser zog, dass sie ihr Privatleben für sich behielt. Außerdem bepflasterte er ihre Berichte mit Notizen über Fehler, die sie gemacht hatte - kleinere verfahrenstechnische Versäumnisse, nichts Wichtiges. Einmal, bei der Jagd auf einen Rauschgiftfahnder, der sich von einem Drogenbaron hatte umdrehen lassen und dann in mehrere Mordfälle verwickelt war, hatte sie es versäumt, binnen der vorgeschriebenen sieben Tage das Formular FD-460 einzureichen.
    Die besten Agenten machen Fehler. Sie war davon überzeugt, dass gerade den besten mehr kleinere Schnitzer unterliefen als dem Durchschnitt, weil sie sich nämlich mehr auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrierten als auf die Einhaltung jeder in den Lehrbüchern vorgeschriebenen Regel. Man konnte sklavisch jede lächerliche Regel befolgen und nie einen Fall knacken.
    Sie spürte, dass er sie anschaute, hob den Kopf und hielt seinem Blick stand.
    »Im Moment müssen wir uns mit außergewöhnlich vielen Fällen beschäftigen«, sagte Dupree. »Wenn einer seine Arbeit nicht erledigt, bedeutet das mehr Arbeit für die anderen. Wir haben einen höheren Finanzbeamten, der verdächtigt wird, ein paar ziemlich komplizierte Steuerhinterziehungen organisiert zu haben. Wir haben einen üblen FBI-Typen, der seinen Job dazu missbraucht, eine private Vendetta durchzuziehen. Und wir
haben ein Arschloch vom Bureau of Alcohol, Tobacco and Firearms, das Waffen und Munition aus der Asservatenkammer verscheuert.« Das war eine typische Palette von Fällen, mit denen es das OSI gewöhnlich zu tun hatte: Fehlverhalten zu untersuchen, in die Mitglieder anderer Bundesbehörden verwickelt waren - in etwa die gleiche Arbeit, die die Abteilung Innere Angelegenheiten erledigte, nur auf Bundesebene.
    »Vielleicht ist das alles ein bisschen zu viel für Sie«, sagte Dupree drohend. »Geht’s darum, Agent Navarro?«
    Sie tat so, als machte sie sich eine Notiz, und sagte nichts. Ihr Gesicht glühte. Kontrolliert atmete sie langsam ein und aus und versuchte, ihre Wut zu bezähmen. Sie weigerte sich, den Köder zu schlucken. Schließlich sagte sie: »Wenn Ihnen die Anforderung ungelegen kommt, warum lehnen Sie sie dann nicht ab?« Annas Frage war keineswegs so unverfänglich, wie es der nüchterne Ton ihrer Stimme vermuten lassen konnte. Es lag nicht in Duprees Kompetenz, Anfragen der höchst verschwiegenen und einflussreichen Internal Compliance Unit (ICU) anzuzweifeln. Und jeder Hinweis auf die Grenzen seiner Kompetenz brachte ihn zur Raserei.
    Duprees kleine Ohren röteten sich. »Ich erwarte zumindest, dass man mich konsultiert. Wenn die Schnüffler von der ICU so viel wüssten, wie sie immer vorgeben, dann müsste denen klar sein, dass Sie für diese Art von Arbeit nicht gerade die Idealbesetzung sind.«
    Er warf ihr einen verächtlichen Blick zu.
    Anna liebte ihre Arbeit. Sie wusste, dass sie gut war. Lob hatte sie nicht nötig. Aber sie wollte auch keine Zeit und Energie damit verschwenden, sich mit aller Gewalt an ihren Job zu klammern. Wieder setzte sie ein

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