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Das Sigma-Protokoll

Das Sigma-Protokoll

Titel: Das Sigma-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Angstzuständen, dass sie regelmäßig untersucht werde und vom Sozialamt fünfhundert Francs pro Woche bekäme. Die Nachricht von der Unterstützung steigerte Laurents Interesse ungemein. Einen Monat später heiratete er sie und zog bei ihr ein. Einem unbeteiligten Betrachter wäre die Wohnung bei Charonne vielleicht klein und schäbig erschienen, im Vergleich zu Laurents Loch, aus dem man ihn wenig später ohnehin rausgeworfen hätte, war sie attraktiv. Kurz nach der Hochzeit nötigte er sie, wieder mehr zu arbeiten, da das Lebensmittelpaket und der Scheck vom Sozialamt für zwei nicht reichten. Wenn sie schon jedem erzählte, dass sie Damenschneiderin sei, dann wäre das ja wohl nicht zu viel verlangt. Sie widersprach zunächst leise und verwies auf ihre dicken, groben Finger, die für derart feine Arbeit nicht mehr zu gebrauchen seien. Er reagierte mit lautstarken Vorhaltungen, worauf sie ihm nicht minder deutlich klar machte, dass sie ihn nie geheiratet hätte, wenn ihr bewusst gewesen wäre, dass er ein Säufer ist. Sieben Monate später kippte Laurent während einer ihrer inzwischen regelmäßigen Auseinandersetzungen um. Seine letzten Worte waren: »Du fette Sau.« Therese wartete ein paar Minuten, bis sie sich wieder beruhigt hatte, und rief dann einen Krankenwagen. Hinterher erfuhr sie, dass er infolge von Durchblutungsstörungen des Gehirns einen Schlaganfall erlitten hatte. Ein genervter Arzt erzählte ihr, dass Blutgefäße wie Schläuche seien und dass eine dünne Gefäßwand schon mal platzen könne. Sie wünschte sich, dass Laurents letzte Worte etwas freundlicher gewesen wären.
    Obwohl Therese nie schlecht über ihren verstorbenen Mann sprach, ließen ihre wenigen Freunde sich davon nicht täuschen.
Aber die kurze Ehe hatte ihr eine nützliche Erfahrung beschert. Ihr ganzes Leben lang hatte sie geglaubt, dass sie nur einen Ehemann für ein perfektes Leben brauche. Laurent hatte sie gelehrt, dass man keinem Mann vertrauen konnte.
    Während sie die verschiedenen Gestalten unten auf der Straße vor dem klotzigen Wohnhaus beobachtete, stellte sie sich vor, was diese Leute so trieben. War der da ein Junkie? Oder der ein Dieb? Verprügelte der seine Freundin?
    Ein lautes, energisches Klopfen riss sie aus ihren Tagträumereien. »Ich komme vom Sozialamt, Madame. Kann ich Sie einen Moment sprechen?«
    »Warum haben Sie nicht geklingelt?«, rief Madame Broussard.
    »Ich hab’s probiert. Die Klingel unten an der Haustür ist kaputt. Das Türschloss auch. Haben Sie das etwa nicht gewusst?«
    »Was wollen Sie?«, rief sie. »Meine Unterstützung...«
    »Ihre Unterstützung wird gerade überprüft, Madame«, sagte der Mann mit strenger Stimme. »Wenn wir kurz über die Sache sprechen könnten, dann wäre das gleich erledigt. Ansonsten könnte es sein, dass die Zahlungen eingestellt werden.«
    Therese ging schwerfällig zur Wohnungstür und schaute durch den Spion. Der Mann hatte den arroganten Gesichtsausdruck, den Therese von französischen Staatsbediensteten kannte - kleine Angestellte, die sich für wichtige Beamten hielten; Männer, die ihr bisschen Macht genüsslich ausnutzten. Allerdings klang seine Sprache irgendwie fremd. Vielleicht stammte er von Belgiern ab. Therese mochte keine Belgier.
    Sie kniff das rechte Auge zusammen und besah sich den Mann genauer. Er trug ein Jackett aus Kammgarnwolle und eine billige Krawatte; grau meliertes Haar, insgesamt unauffällig bis auf das glatte, faltenlose Gesicht. Wenn die Haut nicht so straff gewesen wäre, hätte man sie für die eines Babys halten können.
    Therese schloss die beiden Sicherheitsschlösser auf, nahm die Kette herunter, drehte den Schnappriegel und öffnete die Tür.

    Als Ben hinter Anna aus dem Café auf die Straße trat, betrachtete er das Haus Nummer 1554 Rue des Vignoles. Welche Geheimnisse
warteten dort auf sie? Das Gebäude war das Abbild ganz gewöhnlichen Verfalls - zu vergammelt, um noch als ansehnlich durchzugehen, aber noch nicht so vergammelt, dass es unangenehm aufgefallen wäre. Wenn man jedoch genauer hinschaute, dann erkannte man das Skelett eines einst eleganten Wohngebäudes. Allerdings bezweifelte Ben, dass sich in den letzten Jahren irgendjemand diese Mühe gemacht hatte. Die Erkerfenster wurden von Kalksteinverzierungen gekrönt, die inzwischen von Rissen durchzogen waren; die Steine an den Ecken des Hauses waren abwechselnd groß und klein; das Mansardendach war mit einer niedrigen, jetzt abbröckelnden Brüstung versehen;

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