Das Sigma-Protokoll
Gelegenheit die Hauptstraße.
Die Landstraße führte zunächst geradeaus durch flaches Ackerland, überquerte dann Eisenbahnschienen und schlängelte sich schließlich durch hügeliges Gelände bergauf. Etwa alle zwanzig Minuten hielt Ben an und schaute auf die Karte.
Hinter Bad Ragaz - er war auf der A3 Richtung Chur gefahren - war ihm im Rückspiegel der dunkelblaue Saab zum ersten Mal aufgefallen. Der Wagen war in immer gleichem Abstand gefolgt - egal wie langsam oder schnell Ben fuhr. Ben hatte am Straßenrand angehalten, und der Saab war vorbeigefahren. Von da an hatte er überall Gespenster gesehen.
Er ließ die Fahrt im Geist Revue passieren. Kein Wunder, dass er angesichts der Vorfälle des Tages paranoid wurde. Wieder fiel ihm Jimmy Cavanaugh ein, und plötzlich überschlugen sich seine Gedanken. Ihm wurde schwindelig, als ob er in einen tiefen Abgrund starrte. Rätsel über Rätsel. Wenn er jetzt nicht durchdrehen wollte, musste er an etwas anderes denken. Später konnte er die Dinge immer noch entwirren. Im Moment zählte nur eins: Bewegung.
Zehn Minuten später drängten sich die Bilder von dem Blutbad
im ShopVille wieder in sein Hirn. Er stellte das Radio an, um sich abzulenken. Etwas mehr Tempo wäre auch nicht schlecht, dachte er, trat hart aufs Gas und jagte den Motor hoch. Er schaute in den Rückspiegel und sah einen blauen Saab - denselben blauen Saab, da war er sich ganz sicher. Er bescheunigte nochmals. Der Saab folgte in unverändertem Abstand.
Jetzt spürte er einen harten Knoten im Magen. Bei höheren Geschwindigkeiten hielten Autofahrer intuitiv größeren Abstand zum Vordermann. Der Saab hielt den Abstand. Wenn er ihn überholen wollte, hätte er schon längst auf die linke Spur gewechselt. Was wollte er? Ben schaute wieder in den Rückspiegel, sah hinter der Windschutzscheibe des Saab aber nur verschwommene Umrisse. Es waren zwei, mehr konnte er nicht erkennen. Was zum Teufel hatten sie vor? Ben konzentrierte sich wieder auf die Straße. Er würde so tun, als hätte er nichts bemerkt.
Aber er musste sie abhängen.
In dem Straßengewirr rund um Chur gab es genügend Möglichkeiten, sie loszuwerden; als er das letzte Mal in Chur gewesen war, hatte er sich hoffnungslos verfranzt. In letzter Sekunde riss er das Steuer herum und bog ab auf die kleinere Landstraße Nummer 3, die nach St. Moritz führte. Ein paar Minuten später war der Saab wieder da, genau in der Mitte seines Rückspiegels. Ben schoss durch Malix und Churwalden, nahm steile Abfahrten und Anstiege in so scharfem Tempo, dass ihm fast schlecht wurde. Er jagte über schlecht gepflasterte Nebenstraßen, die den Opel Omega auf und ab hüpfen ließen. Einmal setzte der Auspuff auf der Straße auf, sodass er im Rückspiegel die sprühenden Funken sah.
Hatte er seine Verfolger abgeschüttelt? Der Saab verschwand manchmal für lange Zeit aus dem Rückspiegel, tauchte aber immer wieder auf - als ob die beiden Autos mit einem dicken, unsichtbaren Seil verbunden wären. Ben brauste durch eine Serie von Tunnels, jagte an Kalksteinwänden entlang und über alte Steinbrücken, die sich über tiefe Schluchten spannten. Er fuhr wie ein Verrückter. Sein wachsendes Entsetzen ließ ihn jede Vorsicht vergessen. Er hoffte auf die Besonnenheit und den Selbsterhaltungstrieb seiner Verfolger. Etwas anderes blieb ihm nicht übrig.
Als er sich einem weiteren Tunnel näherte, schoss der Saab plötzlich an ihm vorbei und verschwand vor ihm im Tunnel. Ben war verwirrt: Hatte der Saab die ganze Zeit ein anderes Auto verfolgt? Als Ben sich dem Ende des Tunnels näherte, sah er im gelblichen Licht der Quecksilberdampflampen, was gespielt wurde.
Etwa einhundertfünfzig Meter vor ihm stand der Saab quer auf der schmalen Fahrbahn und versperrte den Weg.
Der Fahrer, der einen dunklen Mantel und einen Hut trug, stand vor dem Wagen und hielt einen Arm hoch.
Dann bemerkte Ben das Auto hinter sich. Es war eine graue Renault-Limousine, und ihn überkam das unbestimmte Gefühl, dass er den Wagen schon mal gesehen hatte, er wusste aber nicht wo. Bestimmt gehörte er zu denen.
Denk nach, verdammt! Sie hatten ihn eingekeilt. Er saß fest - mitten im Tunnel. Verdammt! Was sollte er tun? Unter normalen Umständen hätte er sofort auf die Bremse steigen müssen, um nicht voll in den schon bedrohlich nahen Saab zu krachen. Doch dies waren keine normalen Umstände. Er trat das Gaspedal durch und rammte den Saab hinten links. Der zweitürige Saab war ein Sportwagen
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