Das Sigma-Protokoll
arrangiert. Auf einem Schwarzweißfoto war ein Hochzeitspaar zu sehen: die unscheinbare, verletzlich aussehende Braut und der dunkelhaarige Bräutigam mit den scharf geschnittenen Zügen und dem stolzen Blick.
Auf der TV-Truhe aus Walnussholz stand eine Reihe identischer Elefantenfiguren aus Elfenbein. Kitschig, aber anrührend.
»Sind die nicht wundervoll?«, sagte Anna zu Arsenault und zeigte auf die Elefantenparade.
»Prachtvoll«, erwiderte Arsenault ohne sonderliche Begeisterung.
»Sind das Lenox-Figuren?«, fragte Anna.
Die Witwe schaute sie erst überrascht und dann stolz lächelnd an. »Sammeln Sie auch?«
»Meine Mutter hat sie gesammelt.« Ihre Mutter hatte weder die Zeit noch das nötige Geld gehabt, um irgendetwas zu sammeln - außer vielleicht ihre mageren Lohnzettel.
Die alte Frau deutete auf die Couch. »Setzen Sie sich doch.«
Anna setzte sich auf die Couch und Arsenault in einen Sessel. Nach den Beschreibungen im Protokoll zu urteilen war das der Raum, in dem man Mailhot gefunden hatte.
Mrs. Mailhot ließ sich an der gegenüberliegenden Wand des Zimmers auf einem unbequemen Küchenstuhl nieder. »Ich war nicht im Haus, als mein Mann gestorben ist«, sagte sie traurig. »Ich war bei meiner Schwester, wie jeden Dienstagabend. Den Gedanken, dass er hier ganz allein gestorben ist, kann ich einfach nicht ertragen.«
Anna nickte mitfühlend. »Könnten Sie uns vielleicht etwas darüber sagen, wie er gestorben ist.«
»Der Arzt meint, dass es Herzversagen war«, sagte sie.
»Was ja auch gut möglich ist«, entgegnete Anna. »Es kommt allerdings vor, dass jemand getötet wird und es trotzdem nicht wie Mord aussieht.«
»Warum sollte jemand Robert töten wollen?«
Arsenault warf Anna einen kurzen, fast unmerklichen Blick zu. Irgendetwas am Tonfall der Frau sagte ihm, dass die Frage
nicht rhetorisch gemeint war. Sie wollte offenbar eine Antwort auf ihre Frage. Wie die beiden jetzt weiter vorgingen, war von entscheidender Bedeutung. Die Mailhots waren seit 1951 verheiratet gewesen. Sie hatten ein halbes Jahrhundert zusammengelebt. Wenn es da irgendetwas in der Vergangenheit ihres Mannes gab, dann musste sie zumindest eine Ahnung davon haben.
»Sie beide haben sich vor ein paar Jahren hierher zurückgezogen. Ist das richtig?«
»Ja«, sagte die alte Frau. »Was hat das mit seinem Tod zu tun?«
»Sie und Ihr Mann lebten von seiner Pension, richtig?«
Mrs. Mailhot hob herausfordernd das Kinn. »Um Geld hat sich immer Robert gekümmert. Mach dir darüber keine Sorgen, hat er oft gesagt.«
»Hat er Ihnen je erzählt, woher das Geld stammte?«
»Wie schon gesagt, darum hat Robert sich gekümmert.«
»Hat Ihr Mann Ihnen erzählt, dass er anderthalb Millionen Dollar auf der Bank hatte?«
»Wenn Sie wollen, können wir Ihnen die Kontoauszüge zeigen«, warf Arsenault ein.
In den Augen der Witwe regte sich nichts. »Ich habe es Ihnen doch gesagt. Über unsere finanziellen Verhältnisse wusste ich nur sehr wenig.«
»Er hat Ihnen gegenüber also nie erwähnt, dass er von irgendwem Geld erhalten hat?«, fragte Arsenault.
»Mr. Highsmith war ein sehr großzügiger Mann«, sagte sie zögernd. »Er hat die kleinen Leute nie vergessen. Die Leute, die ihm mal geholfen haben.«
»Das waren Überweisungen von Charles Highsmith?«, sagte Arsenault verblüfft. Charles Highsmith war ein berühmter, manche würden sagen berüchtigter Medientycoon gewesen. Er hatte über mehr Holdings geherrscht als sein Hauptkonkurrent Conrad Black. Er besaß Zeitungen, Radiosender und Kabel-TV-Stationen in ganz Amerika. Highsmith war vor drei Jahren gestorben. Allem Anschein nach war er von seiner Jacht ins Meer gefallen. Allerdings gingen die Meinungen über die genauen Umstände seines Todes nach wie vor auseinander.
Die Witwe nickte. »Mein Mann hat fast sein ganzes Leben lang für Highsmith gearbeitet.«
»Aber Highsmith ist vor drei Jahren gestorben«, sagte Arsenault.
»Er muss wohl entsprechende Anweisungen hinterlassen haben. Mein Mann hat mir das nie näher erklärt. Ich weiß nur, dass Mr. Highsmith immer für unser Auskommen gesorgt hat. So war er halt.«
»Und was hat Ihr Mann für Mr. Highsmith getan, um sich diese Art von treuer Fürsorge zu verdienen?«, fragte Anna.
»Das ist überhaupt kein Geheimnis«, erwiderte die Witwe.
»Bis zu seiner Pensionierung vor fünfzehn Jahren war er sein Leibwächter«, sagte Arsenalt. »Und sein Faktotum. Er war zuständig für spezielle Aufträge.«
»Mr. Highsmith
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