Das silberne Dreieck
stand offen. Drei Männer hingen an einer Art Galgen, und eine Menge Türken standen um ihn herum. Komische Sache, wenn ein feiner Herr so ein Bild im Hause hat.«
Leon blickte eine Zeitlang schweigend vor sich hin.
»Das ist merkwürdig, aber doch noch kein Verbrechen. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
Augenscheinlich nichts. Der Mann ging seiner Wege, und Leon erzählte seinen Freunden von dem Besucher. Später fiel es ihm ein, daß der Mann nichts über die anderen Dienstboten gesagt hatte.
»Das einzige, was ich von Storn weiß, ist sein ungewöhnlicher Geiz. Er hat ein großes Haus in Park Lane und nur die absolut nötige Dienerschaft, der er Hungerlöhne bezahlt. Storn ist geborener Armenier, hat viel Geld in Ölfeldern stecken, die er im Lauf des Krieges erwarb. Das bedeutet wahrscheinlich, daß er mit dem Feind in Verbindung stand.«
»Na, und nun die drei Gehenkten - ein eigenartiger Geschmack. Aber ich habe in reichen Häusern schon oft haarsträubende Bilder gesehen, mein lieber Poiccart; und auf jeden Fall ist das krankhafte Interesse, das ein Millionär für eine türkische Hinrichtungsszene zeigt, nichts ganz Außergewöhnliches.«
»Wäre ich Armenier«, sagte Manfred, »würden solche Bilder mein Steckenpferd sein!«
Und damit endete die Geschichte von dem krankhaft veranlagten Millionär, der ein Geizhals war und seinem Personal möglichst niedrige Löhne zahlte.
In den ersten Tagen des April las Leon in der Zeitung, daß Mr. Storn zur Erholung nach Ägypten gefahren sei.
Ferdinand Storn war, von welcher Seite man ihn auch betrachten mochte, eine wünschenswerte Bekanntschaft. Außerordentlich reich, von angenehmem Äußeren, konnte er sich mit den wenigen Leuten, die ihn näher kannten, über jedes Wissensgebiet unterhalten. Soweit bekannt war, hatte er keine Feinde. Er wohnte im Burson House, Park Lane, einem eleganten Gebäude, das er dem früheren Besitzer, Lord Burson, für fünfzigtausend Pfund abgekauft hatte. Die meiste Zeit verbrachte er auf seinem wunderbaren Landsitz, Villfry Park in Sussex. Die Persian & Oriental-Öl-Gesellschaft, deren Leiter er war, hatte ihre Büros in einem prachtvollen Gebäude in der Moargate Street. Mr. Storn war dort gewöhnlich zwischen zehn und drei Uhr anzutreffen.
Die Gesellschaft gehörte trotz des langen Titels einem einzigen Mann und beschäftigte sich daneben noch mit Bankgeschäften. Storn, der Junggeselle war und wenig Freunde hatte, sollte der allgemeinen Annahme nach ein Einkommen von ungefähr einer viertel Million im Jahre haben.
Ein weiterer Monat war vergangen, seit Leon die Nachricht von der Abreise Storns gelesen hatte, als ein Wagen vor dem kleinen Hause in der Curzon Street vorfuhr. Ein stattlicher, wohlhabend aussehender Mann stieg aus und läutete. Er war Leon, der ihn empfing, unbekannt und schien nicht recht mit der Sprache herauszuwollen, denn Leon mußte ihn mehrmals nach dem Zweck seines Besuches fragen.
»Mr. Gonsalez«, meinte er endlich. »Ich bin der Generaldirektor der Persian & Oriental-Öl ...«
»Storns Gesellschaft?« unterbrach ihn Leon interessiert.
»Storns Gesellschaft, ganz richtig. Eigentlich sollte ich wohl mit meinen Verdachtsgründen zur Polizei gehen, aber ein Freund von mir hat ein solches Zutrauen in die, wie er sagte, ›drei Gerechten‹, daß ich erst zu Ihnen gekommen bin.«
»Handelt es sich um Mr. Storn?« fragte Leon.
Der Herr, der sich als Mr. Hubert Grain, Generaldirektor der Gesellschaft, vorstellte, nickte.
»Sehen Sie, Mr. Gonsalez, ich befinde mich in einer etwas unangenehmen Lage. Mr. Storn ist ein schwer zu behandelnder Mensch, und ich würde meine Stellung verlieren, wenn ich ihn etwa lächerlich machen sollte.«
»Er ist doch im Ausland?« fragte Leon.
»Im Ausland«, gab der andere gedrückt zu. »Er reiste tatsächlich ganz unerwartet ab - ich will damit sagen, unerwartet für das Büro. Er hatte nämlich gerade an dem Tag seiner Abreise eine sehr wichtige Aufsichtsratssitzung, an der er unbedingt hätte teilnehmen müssen. Aber am Morgen erhielt ich einige Zeilen von ihm, in denen er mir mitteilte, daß er gezwungen wäre, aus sehr wichtigen, rein persönlichen Gründen sofort nach Ägypten abzureisen. Er bat mich, nicht an ihn zu schreiben, nicht einmal lautwerden zu lassen, daß er London verlassen hätte. Bedauerlicherweise erwähnte einer meiner Angestellten einem Reporter gegenüber Mr. Storns Abreise, und so kam es in die Zeitung.
Eine Woche nach seiner Abreise
Weitere Kostenlose Bücher