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Das silberne Schiff - [Roman]

Das silberne Schiff - [Roman]

Titel: Das silberne Schiff - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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durch überfüllte Gehwege, wo es nach menschlichen Körpern, Blumen und Meersalz roch, das von einer steifen Brise herangeweht wurde.
    Marcus duckte sich seitlich weg und verließ die Straße. Er führte mich in eine Menschenmenge, die sich in kleinen Gruppen auf einer Grasfläche versammelt hatte, die von vier Gebäuden begrenzt wurde, einschließlich des großen, auf dessen Dach wir gelandet waren. Auf diesem Platz hielten sich schätzungsweise genauso viele Menschen auf wie auf ganz Fremont. Oder sogar doppelt so viele. Betörende Gewürzdüfte von fremdartigen Speisen bestürmten meine Geruchsnerven, und ich war von einer Kakophonie verschiedenster Gespräche umgeben. Wir wechselten mehrmals die Richtung und traten schließlich zwischen zwei Gebäuden in einen Tunnel.
    Auf der Insel mit ihren seltsamen Bewohnern kam ich mir klein vor, viel kleiner als in der Universität, die mir noch vor wenigen Stunden riesig erschienen war und sich jetzt wie ein Refugium des Friedens und der Stille anfühlte. Mein Atem ging schnell, und meine Hände zitterten. »Marcus«, rief ich. »Kann ich mich setzen?« Ohne auf eine Antwort zu warten, ließ ich mich auf eine leere Bank fallen, während ich versuchte, meine Sinne von allem um mich herum abzuschirmen.
    Marcus blieb stehen und blickte mit besorgter Miene auf mich herab.
    Ich konzentrierte mich auf seine schlanke Gestalt, auf das Einzige, was mir hier vertraut war, und alles im Hintergrund verschwamm. »Mir ist schwindlig.«
    Er setzte sich neben mich auf die Bank. »Schon gut. Ruh dich aus.«
    Marcus roch vertraut und angenehm. Ich schloss die Augen und ließ die Geräusche an mir vorbei- und durch mich hindurchgehen. Ich behandelte sie wie Daten und konnte schließlich Gespräche isolieren. Das war hilfreich. Wenig später versuchte ich die Augen wieder zu öffnen, und diesmal blieben die Farben und Bewegungen der Menge klar und deutlich.
    »Besser?«, fragte Marcus. Als ich langsam nickte, fragte er: »Was ist? Bist du einfach nur müde?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube, es liegt daran, dass es hier so viele neue Dinge gibt. Vielleicht hat mich der Isolationsraum stärker beansprucht, als ich dachte.« Aufzupassen und mir Sorgen zu machen half mir auch nicht weiter. Wie sollte ich erkennen, wer in diesem Meer der Fremdheit ein Feind sein könnte?
    Marcus schürzte die Lippen. »Oder weil du dich so angestrengt abschirmst. Versuch es entspannter zu machen. Betrachte es als den Normalzustand, dass du von den Daten abgeschottet bist.«
    Ich brauchte drei tiefe Atemzüge, bis ich seinen Ratschlag befolgen konnte. Aber wenn ich mich zu sehr entspannte, spürte ich, wie die Daten in mich einzusickern versuchten und mein Bedürfnis weckten, sie anzunehmen. Es fühlte sich inzwischen zu selbstverständlich an, vielleicht war es schon immer viel zu selbstverständlich für mich gewesen. Ich schluckte und legte wieder mehr Kraft in den Abwehrschirm. »Wir können jetzt weitergehen«, sagte ich und gab mir Mühe, stark zu klingen.
    Wir hatten den Rasen mit den vielen Menschen zu drei Vierteln überquert, als mir auffiel, dass Marcus auf einen großen Baum mit dünnen grünen und goldenen Blättern zuhielt, die fast bis zum Gras hinunterreichten. Die Form erinnerte mich an die Zeltbäume von Fremont, obwohl die Blätter und die schlanken Zweige dieses Baumes eine viel feinere Abgrenzung bildeten. Sie schimmerten. Als wir nahe genug heran waren, um das leise Rascheln der Blätter zu hören, erschien eine Hand zwischen den Zweigen und teilte sie. Dann schoss Alicia heraus und schloss mich in die Arme. »Joseph! Du bist es wirklich. Du bist hier!«, flüsterte sie. »Das ist so gut …«
    Mein Herz raste. Sie sah wunderbar aus und fühlte sich wunderbar an. »Wir sind hier.« Ich schlang die Arme um sie und hielt sie fest. Ich konnte nicht fassen, wieso Marcus mir nicht gesagt hatte, dass wir die anderen treffen würden. Ich vergrub mein Gesicht in ihrem Haar. »Geht es dir gut?«
    Sie löste sich von mir und blickte zu mir auf. Ihre Haut schimmerte gesund, und ihre violetten Augen tanzten. »Es geht mir besser als je zuvor. Ich liebe es hier. Ich will nie mehr zurückkehren oder woanders leben.« Sie breitete die Arme zu einer ausladenden Geste aus. »Ist es hier nicht wunderschön? Hier gibt es so viele Dinge!«
    Ich starrte sie fasziniert an. Wie verzaubert.
    Sie trug eine enge Halskette aus winzigen grünen und grauen Perlen. Sie hob eine Hand und strich über die Kette,

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