Das silberne Schiff - [Roman]
kämpfte.
Das Licht kroch an der Steilwand herab und tauchte die scharfkantigen Felsen und die grünen Ranken in einen goldenen Schein.
Liam trat durch die Tür und streckte sich, bevor er zu mir herüberkam. Er roch nach Schlaf und ein wenig nach Kayleen, als er mich in die Arme schloss. »Ich liebe dich«, flüsterte er.
Wie immer drangen diese Worte tief in meine Seele. Und lockten die Antwort hervor, die durch meine enge Kehle herausdrängten. »Ich liebe dich.«
Er küsste mich auf die Stirn und zog sich zurück. »Du solltest mit Kayleen und Brise hierbleiben. Westheim ist ein gutes Versteck. Ich kann mich hinausschleichen und mir die Sache ansehen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich möchte, dass wir zusammenbleiben. Wir haben keine Ahnung, wer diese Leute sind. Was ist … was ist, wenn etwas passiert und du gefangen genommen wirst? Wenn du getötet wirst und wir es niemals erfahren?«
Er blickte zum Haus, in dem Kayleen immer noch schlief. Durch das Fenster war ihr dunkles Haar zu erkennen. »Das müssen wir gemeinsam entscheiden.«
»Ich weiß.« Wir verfielen für einen längeren Moment in Schweigen, das wie die Stille vor einem Sturm war.
Die Tür ging auf. »Guten Morgen«, rief Kayleen nach draußen. Die Worte klangen eher wie eine Frage.
Ich lächelte. »Guten Morgen! Wir versuchen gerade zu entscheiden, was wir tun wollen.«
Sie kam zu uns, das Haar noch vom Schlaf zerzaust, eine Hand auf dem Bauch. Wir begrüßten sie mit einer Umarmung. Inzwischen war es hell genug geworden, um zu erkennen, dass leichte Furcht in ihren Augen stand. »Was sollen wir tun?«, fragte ich.
Brise stapfte herbei, stupste Kayleen mit dem Kopf an und verlangte Zuwendung. Kayleen berührte sie, zog sich jedoch sogleich wieder zurück und schloss die Augen.
Ihre hohe und eindringliche Stimme zerriss die friedliche Stille. »Etwas ist im Goldkatzental.« Als sie die Augen wieder öffnete, funkelte darin die Wachsamkeit eines wilden Tieres. »Ich muss nachsehen, was es ist.«
Ich erstarrte. »Ein Tier?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Keine Katze, keine Groß-Gebras, keine Dämonenhunde. Ich weiß es nicht.«
Liam und ich sahen uns an. »Wir sollten zusammen gehen«, sagte er.
Kayleen nahm Brises Leine.
Ich schluckte meinen Vorschlag hinunter, dass sie Brise lieber hierlassen sollte. Falls uns etwas zustieß, wäre das Gebra im Gehege gefangen. Ich schloss die Augen. »Bitte lass es Joseph sein«, murmelte ich.
Kayleen ließ Brise am Fuß der Felsen zurück. Wir stiegen hinauf, stellten uns auf den höchsten der Blöcke und blickten auf das lange, schmale Tal hinaus. Es schien leer zu sein, abgesehen von drei großen braunen Vögeln, die langsam in den Aufwinden kreisten.
Ich schaute zu Kayleen. Ihr Blick und ihre Haltung hatten sich entspannt. »Es sind fünf. Menschen. Sie kommen in unsere Richtung.« Sie zeigte darauf. Meine Augen folgten der Richtung, und dann erkannte ich eine kleine Gruppe, die nicht weit von den Bäumen am Fluss ging, als wollte sie möglichst unauffällig bleiben. Sie kamen zielsicher auf uns zu.
Also wussten sie, dass wir hier waren. »Was sollen wir tun?«, fragte ich zum wiederholten Mal.
»Ihnen entgegengehen und so tun, als würde es hier noch mehr von uns geben«, sagte Liam. »Das können sie nicht wissen.«
Kayleen schüttelte den Kopf. »Sie wissen es. Sie können unsere Daten lesen.«
Natürlich. »Mit Maschinen oder ohne Hilfsmittel?«, fragte ich.
Sie hatte die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen. »Sie machen es selbst. Es gibt mindestens zwei Windleser in der Gruppe.«
Modifizierte. Wie wir. Und von Silberheim oder einer ähnlichen Welt. »Ist Joseph bei ihnen?«
»Nein.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Liam.
»Diese Leute sind ganz anders als Joseph. Joseph und ich haben es immer gespürt, wenn der andere in den Netzen war. Vor allem wenn wir beide gleichzeitig drin waren. Ich würde es erkennen, wenn er hier wäre.«
Mir entfuhr ein tiefer Seufzer der Enttäuschung. Würde er jemals zurückkommen? War er überhaupt noch am Leben?
Sie schloss die Augen. »Sie waren in unserem Netz. Noch nicht in Artistos. Sie haben die Verbindung noch nicht erkannt, aber sie haben auch nicht sehr gründlich nachgeforscht. Doch sie wissen, dass hier Menschen sind. Sie scheinen etwas verwirrt zu sein, vielleicht weil die hiesigen Netze anders sind, als sie es kennen.« Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und zog eine Grimasse. »Aber ich würde
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