Das silberne Schiff - [Roman]
Flusses. Wir zeigten gleichzeitig darauf. Ein dröhnender Punkt am Himmel, der größer wurde.
Brise trötete und stampfte auf. Kayleen sprach mit beruhigendem Flüstern auf sie ein. Ich konnte den Blick nicht vom Raumschiff abwenden.
Denn das war es, was wir sahen: ein Raumschiff!
Vielleicht war es Joseph, der zurückgekehrt war. Ich schnappte nach Luft und stieß den angehaltenen Atem dann wieder aus, als der Fleck groß genug geworden war, um zu erkennen, dass das Gefährt plumper als die Neue Schöpfung war. Es konnte auf keinen Fall aus Artistos kommen. Vielleicht war Joseph mit einem anderen Schiff zurückgekehrt.
Es flog über unsere Köpfe hinweg und hielt auf das Goldkatzental zu. Doch es schien weiterzufliegen, so niedrig, dass es offenbar nach einem geeigneten Landeplatz suchte. Es verschwand aus unserem Blickfeld. Wir standen sprachlos da, noch schockierter über den Anblick des Raumschiffs als über den Lavastrom in der vorigen Nacht. »Das könnte Joseph sein«, sagte ich.
»Vielleicht«, sagte Liam zweifelnd. »Wir wissen es nicht.« Er blickte mir in die Augen. »Mach dir keine zu großen Hoffnungen. Das war nicht die Neue Schöpfung .«
Ich biss mir auf die Lippe und nickte.
Eine Diskussion war überflüssig. Wir machten uns auf den Weg, in einem zügigen Dauerlauf, den wir trotz Schwangerschaft stundenlang durchhalten konnten.
Wir hielten uns ans Ufer, blieben im Freien und mieden den gefährlicheren Wald, weil wir so viel Fleisch dabeihatten. An einer Stelle überquerten wir eine Brücke aus Holz, die wir über den Fluss gebaut hatten, in den Kayleen und ich im vorigen Sommer gestürzt waren. Wo sich das Goldkatzental zum Grasland öffnete, blieben wir stehen und betrachteten den Pfad, der nach Westheim führte.
»Wir müssen nach Hause gehen«, sagte Liam. »Brise ist müde, und ich möchte in der Dunkelheit keinen Fremden begegnen.«
Ich seufzte und stellte mit einem Anflug von Ironie fest, dass das Gebra sogar noch frischer als wir wirkte. »Ich würde sehr gern wissen, ob es Joseph ist.«
Liam legte mir einen Arm um die Schultern. »Warum sollte er hier landen? Warum nicht in Artistos? Das Schiff kam offenbar aus dem Weltraum. Also wollte es hier landen. Joseph wäre bestimmt zur Stadt geflogen.«
Ich lehnte mich gegen ihn. »Warum sollte überhaupt irgendein Schiff hierherkommen? Wir haben die Satellitenaufnahmen gesehen. Die Kolonisten haben deutliche Spuren auf Jini hinterlassen. Artistos und der Raumhafen sind gut sichtbar. Also hat das Schiff Artistos bewusst gemieden – oder es sucht nach uns.«
Liam fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und starrte in die Richtung, in der das Schiff verschwunden war. »Falls es nicht Joseph ist, werden wir bestimmt nicht begeistert sein, wenn wir erfahren, wer es wirklich ist.«
Kayleen und ich blickten uns an. Sie zitterte leicht. »Das letzte Schiff, das hierherkam, brachte unsere Eltern und einen Krieg mit.«
Er nickte. »Wir können morgen versuchen, mehr herauszufinden.«
Wir stiegen den felsigen Weg nach Westheim hinauf, bevor es in unserem kleinen Tal dunkel wurde. Es sah noch genauso aus, wie wir es verlassen hatten. Der lärmende Wasserfall fing die letzten Reste des Tageslichts mit seiner Gischt ein.
Wir hatten es uns abgewöhnt, während der ganzen Nacht Wache zu halten. Wir hielten es für nicht mehr notwendig, nachdem Kayleen den Grenzalarm installiert hatte.
Aber in dieser Nacht taten wir zwei ungewöhnliche Dinge: Wir teilten wieder Wachen ein, und wir entzündeten kein Feuer.
Kapitel 28
Die Dämmerungsmacht
Ich wählte stets die letzte Wache, weil ich den friedlichen, tiefen Moment an der Nahtstelle zwischen Nacht und Tag liebte. An diesem Morgen war ich nervös und sehnte das erste Tageslicht herbei. Ich suchte in den Schatten rund um das Gehege, bemerkte aber nichts Ungewöhnliches.
Außer dass sich die ganze Welt verändert hatte. Stammte dieses Schiff wie die Weltenreise von Chrysops oder von Silberheim oder von anderswo? Warum war es hier?
Was bedeutete das für unsere Babys?
Die letzten Schiffe hatten Krieg und Tod, Schmerz und Chaos gebracht.
Kämpften die Menschen überall gegeneinander, oder gab es Planeten, auf denen Frieden herrschte? Wir hatten genügend Informationen in den Geschichtsdatenbanken, so dass ich mir sicher war, dass Ersteres wahrscheinlicher war als Letzteres. Aber es gab doch bestimmt irgendwo eine Welt, die friedlich um eine wärmende Sonne kreiste und auf der niemand
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