Das silberne Schiff - [Roman]
einen Mann und die eine Frau für mich als »Kraftprotze«. Sie waren Bryan mal zwei. Von der Statur her hätten sie Zwillinge sein können, hätte die Frau keine schlankeren Hüften und etwas weichere Formen gehabt. Die Schultern und die Schenkel waren breit, die Hälse dick, und ihre Gesichtszüge markant. Trotz ihrer Körpermasse waren sie genauso schön wie die Anführerin. Beide trugen Gürtel, die mit kleinen metallenen Dingen bestückt waren – vielleicht Werkzeug, Kommunikationsausrüstung oder Waffen. Oder alles.
Die anderen zwei waren Männer, der eine blond, der andere braunhaarig, im Vergleich zur Gruppe mittelkräftig gebaut, etwa wie Liam. Ich vermutete, dass sie die Windleser waren.
Alle fünf hatten auf der Brust ein Abzeichen, das ich noch nie gesehen hatte: ein heller gelber Stern, der von weißen Schnörkeln umgeben war, vielleicht Blumen oder Schwerter. Oder Schwerter, die von Blumen umrankt wurden. Sie strahlten Gesundheit und Kraft und Jugendlichkeit aus, abgesehen von den Augen.
Betrachteten sie uns als verlotterte Versionen von sich? Als Feinde? Sie ließen uns keinen Moment aus den Augen und zeigten nicht die geringste Regung. Niemand lächelte. Keiner schwitzte oder wirkte erschöpft, obwohl sie offensichtlich schon seit längerer Zeit zu Fuß unterwegs waren. Der Morgen war bereits so warm, dass mir mein langärmeliges Hemd am Körper rieb.
Unser Warten zahlte sich aus – die Anführerin sprach zuerst. Ihre Worte waren langsamer und schleppender als bei uns, aber verständlich. »Ich bin die Erste dieser Gruppe. Ich bin Ghita.«
Die Erste?
Sie sah mich an, als würde sie von mir eine Antwort erwarten.
Liam sprach, bevor ich es tun konnte. »Ich bin Liam.« Er zeigte auf mich. »Und das ist Chelo. Entschuldigt bitte, aber darf ich fragen, woher ihr kommt? Wir haben gestern euer Schiff gesehen.«
Kurz blitzte Überraschung in Ghitas Augen auf. »Wir kommen aus der Autokratie von Islas.«
Ihr Tonfall verriet den Grund ihrer Überraschung. Sie war erstaunt, dass sie es uns erklären musste. Vielleicht hätten wir es an den Abzeichen erkennen müssen.
Liam nickte, als würde ihm die Bezeichnung etwas sagen, doch ich vermutete, dass er nur so tat. »Was können wir für euch tun? Dürfen wir euch unsere Gastfreundschaft anbieten?«
»Wir sind gekommen, um Fremont zu erkunden.«
Liam und ich nickten. Ich glaubte ihr nicht. Ihre Blicke passten nicht zu ihren Worten, und da war das kurze Zögern gewesen. Wenn sie aus einem anderen Grund hier waren, welcher mochte es sein? Ich konnte mich nicht dazu durchringen, sie willkommen zu heißen, obwohl ich es wahrscheinlich tun sollte, nur um sie zu verblüffen. Ich sagte nur: »Können wir euch helfen?«
»Seid ihr Einheimische?«, fragte sie.
»Wir wurden hier geboren«, antwortete Liam.
»Ihr werdet uns begleiten«, befahl Ghita. Sie sprach ruhig, aber es war eindeutig ein Befehl. Befehle passten zu dieser Ghita, wie meine Schuhe mir passten.
Mit leicht gerunzelter Stirn blickte sie den Pfad entlang. Wir hatten gestern diesen Weg genommen, und Brises Spuren waren überdeutlich im Sand zu erkennen. Aber vielleicht war das gar nicht der Punkt. Keiner von uns hatte so lange Füße wie Kayleen, und auch ihre Spuren waren zu sehen.
Ghitas Augen folgten dem Pfad zu den Felsen und ins Tal. »Wie viele andere gibt es noch?«
Ich schluckte und antwortete mit einer Fast-Lüge. »Hier und heute sind nur wir da.« Immerhin war Kayleen höchstwahrscheinlich schon auf dem Weg zur Höhle.
Ghita starrte weiter in die Ferne, als würde sie meinen Worten nicht glauben. Ich konnte es ihr nicht übelnehmen – schließlich misstraute ich ihr genauso. Sie rührte sich nicht von der Stelle, aber ich erwartete, dass sie jeden Moment einen Schritt vortreten konnte, auf das verborgene Tal zu, auf Kayleen zu.
»Wir würden gern euer Schiff sehen«, sagte Liam. »Und dann hierher zurückkehren. Wir müssen uns um unsere Pflanzen kümmern. Aber wenn wir alle die nötigen Vorbereitungen getroffen haben, können wir euch unsere Gastfreundschaft anbieten.«
Ich lächelte. Er hatte angedeutet, dass es hier noch mehr Menschen gab, vielleicht eine ganze Menge, ohne es direkt auszusprechen.
Ghita drehte sich um und marschierte los, fort von Westheim, und die beiden normal wirkenden Männer folgten ihr. Die beiden Kraftprotze blieben stehen und warteten offensichtlich auf uns.
Liam und ich blickten uns an, dann beugte er sich zu mir herüber. »Uns bleibt keine
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