Das silberne Schiff - [Roman]
ihr über die Wange und funkelte golden im Feuerschein.
Ich hielt ihre Hand fest, um sie vom Trommeln abzuhalten, während ich ihr Gesicht beobachtete. So etwas hatte ich noch nie von Kayleen gehört. Obwohl wir beide bei ihnen gewesen waren und sie nicht, wusste sie mehr über die Fremden als wir. In einem Datennetz lernte man offensichtlich mehr über jemanden als bei einem stockenden Gespräch.
Kayleen wischte sich mit einer ruckhaften Bewegung die Träne von der Wange und legte eine Hand an Brises Nase. »Wenn es dir so wichtig ist, mit ihnen zu reden, dann tu es. Ich weiß, wie hartnäckig du sein kannst, Chelo. Und dafür liebe ich dich. Aber vertrau ihnen nicht. Trau ihnen keinen Millimeter über den Weg.« Sie sah mich eindringlich an, während eine Hälfte ihres Gesichts von den tanzenden Flammen erhellt wurde. »Geh und versuch sie davon zu überzeugen, Artistos zu lieben. Aber wenn es nicht funktioniert, setzen wir unseren Ausweichplan in die Tat um.«
Keiner von beiden schien zu glauben, dass ich Erfolg haben könnte. Vielleicht rechnete ich selber gar nicht damit. Aber ich musste es versuchen. Ich nickte und hatte plötzlich großes Verständnis für Hunter, der den Krieg gegen uns angeführt hatte. Gegen unsere Eltern. »Also gut. Was haben wir in der Faust?«
Kapitel 32
Eine weitere Entscheidung
Liam sah mich besorgt an. »Ich wünsche dir eine sichere Reise.«
Ich nickte. Es war mein Vorschlag gewesen, allein zu gehen, um Kayleen und Liam mehr Zeit zu geben, einige Dinge vorzubereiten. Ich drückte ihn fest an mich. »Dafür werde ich sorgen. Irgendwie.«
»Vergiss nicht, Chelo, dass wir keinen neuen Krieg anfangen, wenn wir sie angreifen. Wir befinden uns mitten in einem Kampf, den unsere Eltern begonnen haben.«
»Ich weiß.« Es hatte begonnen, bevor ich geboren war, es hatte mein Leben geformt und geprägt und die Familie nicht nur einmal, sondern zweimal auseinandergerissen. Und nun drohte eine dritte Trennung, wenn ich nicht die richtige Entscheidung traf. Oder vielleicht spielte es gar keine Rolle, wie ich mich entschied?
Ich löste mich von Liam und wandte mich an Kayleen. »Pass gut auf unser Baby auf.«
Sie nickte nur. Offenbar wusste sie nicht, was sie noch sagen sollte.
Wir hatten einen großen Teil der Nacht damit zugebracht, einen Angriff zu planen. Kayleen hatte ihre Waffen ausgebreitet, unsere Waffen, und wir hatten darüber geredet, wie wir Silberkugeln und Disruptor einsetzen konnten.
Am Ende hatten wir beschlossen, mit Fremont zu beginnen.
Ich machte mich etwas früher auf den Weg, um Zeit zum Nachdenken zu haben. Ich wollte es langsam angehen.
Als ich dastand und zur Dämmerungsmacht aufblickte, wäre ich fast wieder umgekehrt. Ich war eine Ameise, die Dämmerungsmacht hingegen ein Berg. Sie dominierte die Ebene, und ihre Präsenz war viel größer als die Ausmaße des Schiffs. Sie breitete sich in Form von Gleitern und Bauten aus. Nach dem, was Kayleen uns erzählt hatte, kam mir das Lager bösartig vor.
Zwei Gebäude waren über Nacht aus dem Boden geschossen, glatte Hüllen mit Fenstern und Türen. Die Islaner hatten keine Bäume gefällt, um diese Dinge zu machen, und die Gebäude waren viel zu groß, um sie als Ganzes innerhalb des Schiffes transportieren zu können. Ich wusste, dass es eine ausgeklügelte Technologie war, aber für mich hätte es genauso gut Magie sein können.
Dann hielt ich für einen Moment mit offenem Mund inne. Die Brennende Leere stand hinter einem der Gebäude. Ich erstarrte. Warum? Wollte man uns damit eine Falle stellen? Oder uns helfen? Oder glaubten sie, das Gefährt würde ihnen gehören, nachdem sie es geborgen hatten?
Ich blieb auf Abstand, weil sie nicht wissen sollten, dass ich den Gleiter gesehen hatte.
Diesmal würde ich die Dämmerungsmacht nicht betreten, nur wenn ich dazu gezwungen wurde. Ich stand vor der Rampe und wartete, fest davon überzeugt, dass sich jemand zeigen würde.
Und tatsächlich kamen kurz darauf Ghita, die zwei Kraftprotze und der Kapitän aus dem Schiff. »Chelo!«, rief Kapitän Groll fröhlich. »Wie geht es dir? Wo ist Liam?«
»Es ging ihm heute früh nicht gut.« Daran sollten sie eine Weile herumkauen, falls sie uns etwas ins Essen getan hatten. »Wir wollten euch nicht enttäuschen. Deshalb bin ich allein gekommen.« Kayleen hatte darauf hingewiesen, dass ihnen nicht auffallen würde, wie dumm es war, sich ganz allein in der Wildnis von Fremont zu bewegen. Sie schien recht zu behalten, denn
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