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Das silberne Schiff - [Roman]

Das silberne Schiff - [Roman]

Titel: Das silberne Schiff - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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schützte uns, falls ein Gleiter vorbeikam. Die Sonne ließ die Unterseiten der Wolken orangerot leuchten, und die langen Schatten von Tigers Beinen sahen wie Messer aus.
    Sobald die drei Gebras angebunden waren und von den spärlichen Halmen grasen konnten, sammelten wir uns in der Nähe der Felsen und blickten hinunter. Artistos lag tatsächlich gut sichtbar unter uns. Aus diesem Blickwinkel sahen wir zuerst die Felder und die Gebraställe, und links davon fiel der Boden zur Grasebene ab. Die Stadt selbst breitete sich dahinter aus, ein unregelmäßiges Rechteck aus Gebäuden und Straßen, das bis zum Stadtpark mit dem Samtfluss reichte.
    »Ich hoffe, alle sind bereit«, sagte ich.
    Tom legte einen Arm um Palomas Schultern und sah sie mit zärtlichem Blick an. »Davon bin ich überzeugt«, flüsterte er. Sie lehnte sich an ihn und senkte den Kopf. In den Wochen, seit wir wieder zuhause waren, war ihr Haar völlig grau geworden. Sie hatte selber darauf bestanden, dass sie vor uns hierherkam, weil sie etwas Ruhe haben wollte. Als Heilerin hatte sie Substanzen gemischt, die tödlich wirkten. An den dunklen Ringen auf ihren Hohlwangen und der gebeugten Haltung ihres Oberkörpers war zu erkennen, wie sehr ihr diese Arbeit zugesetzt hatte.
    Doch als sie zu Tom aufschaute, stand ein Leuchten in ihren Augen. Während unserer sommerlichen Reise rund um den Kleinen Samtsee waren alle jetzigen Beziehungen bereits latent vorhanden gewesen – zumindest Liam und ich und auch Tom und Paloma. Nur mein kleiner Bruder Joseph und die wilde Alicia waren schon damals zusammengekommen.
    Wir warteten.
    Wir hatten beschlossen, nicht über die Ohrempfänger zu kommunizieren, bevor der Kampf begonnen hatte, weil wir auf einen Überraschungseffekt hofften. Ich stellte mir vor, wie Kayleen auf einer Decke in der Höhle lag. Sie würde sich in der Nähe des Eingangs aufhalten, um besseren Zugang zu den Daten zu erhalten. Hunter wäre an ihrer Seite und würde ihr helfen, wie ich es getan hatte, wenn ich bei ihr war. Oder zumindest so gut, wie ein ursprünglicher Mensch einer Modifizierten helfen konnte. Liam musste die Stadt fast erreicht haben. Er würde sich vorsichtig anschleichen und den Verwischer benutzen, um nicht zu früh den Grenzalarm auszulösen. Er folgte einem schwer einsehbaren Weg, den Kayleen am Vortag für ihn berechnet hatte. Ruth und ihre Gruppe mussten irgendwo rechts unter uns sein.
    Insgesamt waren über eintausend Menschen im Wald unterwegs, und fünfhundert weitere warteten hinter dem Hügelzug, um sich auf ein Zeichen hin in die Schlacht zu werfen. Eintausendfünfhundert gegen weniger als fünfzig, und wir machten uns dennoch Sorgen, ob wir vielleicht nicht genug waren.
    Die ganze Welt schien den Atem anzuhalten. Selbst das Baby in mir schlief – oder wartete zumindest gespannt.

Kapitel 46
    Angriff

    Ich hockte auf einem Felsen zwei Meter über Paloma und Tom und genoss es, nach den hektischen Vorbereitungen für einen Moment allein zu sein. Was wollte ich? Dass alle überlebten. Es waren schon so viele Lücken in unsere Gemeinschaft gerissen worden. Ich wollte nicht einmal, dass die Sternensöldner starben. Es würde mir genügen, wenn wir sie einfach vertreiben konnten. Als wäre eine so einfache und positive Lösung realistisch. Obwohl ich es besser wusste, war es einfach meine Art, trotzdem zu hoffen. Doch heute kam mir die Hoffnung wie ein Fluch vor.
    Artistos schlief ahnungslos weiter. Das Sonnenlicht ließ die Quarzeinschlüsse im Gestein unter ihr in hellen Farben strahlen. Es glitzerte auch auf der Spitze der Dämmerungsmacht . Langsam glitt es einen Teil der silbrigen Seitenwände hinunter, um schließlich einzelne Dachziegel auf der Gebrascheune aufleuchten zu lassen. Hätte ich doch nur dort unten sein können, um mich an die Invasoren anzuschleichen!
    Ich tat überhaupt nichts! Noch nicht. Ein leichter Fußtritt gegen die Innenseite meines Bauchs erinnerte mich daran, warum das so war. Ich schloss meinen Bauch und damit mein Baby in die Arme und hoffte, dass es spürte, was ich tat. Wäre ich überhaupt in der Lage, es zur Welt zu bringen? Und in was für eine Welt?
    Aber es war nicht meine Aufgabe, mir Sorgen zu machen, auch wenn die bloße Anwesenheit meines Babys dazu führte, dass ich viel mehr Angst vor einem bösen Ende hatte.
    Ich hatte die Aufgabe, das Geschehen zu beobachten.
    Wonach sollte ich Ausschau halten? Nach einer Rauchwolke? Nach Bewegungen zwischen den Bäumen? Unter uns schlief der

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