Das silberne Schiff - [Roman]
oder etwas ganz Neues.
Kayleen zeigte mir den hochgereckten Daumen und blieb sitzen. Sie behielt den Stein in der Hand, und der Feuerschein spiegelte sich auf einer hellen metallischen Ader. Ich winkte ihr, dass sie zu mir kommen sollte, und sie setzte sich neben mich. Brise nahm sie so weit mit, wie sich das Gebra dem Feuer nähern wollte.
Wir saßen schweigend da und horchten aufmerksam auf die nächtlichen Geräusche des Tals: das Rascheln kleiner Vögel, die sich in den Bäumen am Fluss versammelt hatten, das Kreischen von großen Raubvögeln in der Luft, das Huschen winziger Säugetierfüße und zweimal helle, besorgt klingende Rufe, die offenbar die normalen Laute der wunderschönen großen Tiere waren, die ich auf der anderen Flussseite gesehen hatte.
Der Himmel bezog sich, und bevor es Zeit war, Liam zu wecken, platschten dicke Regentropfen ins Gras und vergingen zischend im Feuer.
Bei Sonnenaufgang waren wir alle wach und klitschnass, als wir um eine Feuergrube standen, die zu einer Regenpfütze geworden war. Der Himmel war wieder klar, und Dunst stieg vom feuchten Gras auf, als die Sonnenwärme das Land weckte. Ich rieb mir die müden, brennenden Augen und sagte: »Ich schätze, die Dreimondnacht hat uns dahingehend Glück gebracht, dass wir nicht gefressen wurden.«
Liam brummte. »Hier ist jeder Tag, den man überlebt, ein Glückstag.« Er verteilte Fleisch, das wir am Vorabend zubereitet hatten. »Jetzt können wir genauso gut den Rest des Tals erkunden, bevor wir zum Gleiter zurückkehren.« Er zeigte auf das Meer hinunter, eine blaue Linie, die vielleicht eine Stunde zu Fuß entfernt war. In dieser Richtung gab es nur Gras, den Fluss und Felsen. »Wahrscheinlich finden wir dort nirgendwo eine Zuflucht. Wir sollten lieber talaufwärts gehen und schauen, ob wir eine Höhle oder etwas in der Art finden.«
Wir schulterten unsere nassen Rucksäcke und wählten einen Trampelpfad, der vor den Bäumen am Fluss verlief. Wir folgten ihm nach oben und suchten nach einer guten Furt. Liam und ich hielten regelmäßig an und machten uns Notizen über die verschiedenen Fährten, die wir sahen, während Kayleen an Brises Seite Wache hielt.
Wir folgten einer langen Kurve des Pfades, die parallel zu einer Flussbiegung verlief, und stießen auf weiße Dampfwolken, die von einem Spalt zwischen zwei Felsbrocken aufstiegen. Der Schwefelgestank wie nach faulen Eiern wurde so stark, dass ich irgendwann nur noch durch den Mund atmen konnte, was aber auch nicht wesentlich besser war. Es blieb ein übler Nachgeschmack. Als wir uns dem Dampf näherten, röteten sich unsere Gesichter in der Hitze, und Brise tänzelte und warf den Kopf hoch. Wir hielten ein paar Meter von der Quelle entfernt an. »Was ist das?«, fragte ich.
Liam sah es sich an. »Akashi hat mir erklärt, dass es an einer solchen Stelle wahrscheinlich Magma gibt – heißes, geschmolzenes Gestein wie im Feuerfluss da drüben. Und Wasser. Das geschmolzene Gestein und das Wasser kämpfen miteinander, und so entsteht der Dampf.«
Ich blickte auf meine Füße und bewegte mich vorsichtig. Der Fels, auf dem ich stand, fühlte sich fest an, aber wie tief unter mir befand sich das flüssige Gestein? Ich hatte den Feuerfluss gesehen, zumindest aus der Luft. Konnte ich ausrutschen und in einen Feuerstrom fallen?
Liam bemerkte meinen Gesichtsausdruck und holte weiter aus. »Dieser gesamte Kontinent wurde durch aktive Vulkane geschaffen. Ich vermute, dasselbe gilt für Jini, aber Islandia ist geologisch jünger. Wir haben heiße Quellen, sogar Seen mit warmem Wasser, und Dampfquellen wie diese überall an den Hängen des Zornbergs gefunden.« Er musterte das Loch zwischen den Felsen, und seine Unterlippe zuckte. »Akashi hat uns immer wieder vor ihnen gewarnt und erlaubt uns nicht, in der Nähe unser Lager aufzuschlagen. Aber ich habe nie irgendwelche merklichen Veränderungen bemerkt, und wir haben auch keine dokumentiert, soweit ich weiß.«
»Was meint Akashi mit ›Nähe‹?«, wollte Kayleen wissen.
Vom Grat aus hatten wir mehrere Dampfquellen gesehen, was bedeutete, dass das Tal damit übersät sein musste. »Wir werden keinen ausreichend großen Abstand halten können, wenn wir entscheiden, hier zu leben«, sagte ich.
»Hier könnte es nirgendwo einen Bereich geben, der völlig frei davon ist«, sinnierte Liam.
Die Vorstellung, auf einer Art Feuerfluss zu stehen, machte mich nervös. »Trotzdem müssen wir nicht genau neben einer Quelle lagern.«
Liam
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