Das silberne Schiff - [Roman]
an Liam. »Jetzt werden wir es nicht mehr schaffen, vor Anbruch der Dunkelheit zurück zu sein.«
Er musterte mich. Sein Gesichtsausdruck war sanft, aber seine Augen hatten einen entrückten, gedankenverlorenen Blick. »Ich weiß. Wir sollten hier im Freien bleiben.« Er musterte den Himmel. »Ein Mond ist bereits aufgegangen. Ich rechne heute Nacht mit zwei weiteren. Wenn es klar bleibt, können wir weit genug sehen, und hier gibt es jede Menge Holz.«
Ich betrachtete den Wald. »Wahrscheinlich.«
Er blickte mit gerunzelter Stirn zu Kayleen. »Ich hoffe, wir finden das vermaledeite Gebra bald wieder. Ich hoffe, es kommt von allein zurück.«
Doch keine seiner Hoffnungen erfüllte sich.
Nach etwa zehn Minuten gab Kayleen es auf, nach Brise zu rufen, und wandte sich mit flehentlichem Blick an uns. »Wir müssen losgehen und sie suchen. Sie kennt sich überhaupt nicht mit gefährlichen Tieren aus.«
Liam zeigte auf die Sonne, die dem Horizont schon recht nahe war. »Wir müssen hier unser Lager aufschlagen. Zuerst bereiten wir alles für die Nacht vor, dann machen wir uns auf die Suche.«
Tränen schossen Kayleen in die Augen, aber weder sie noch ich erhoben Einwände. Wir gingen dreimal zum Flussufer, um Holz zu sammeln. Während Liam das Feuerholz stapelte, kniete ich im Gras, damit Kayleen meine Schädeldecke mit Palomas Salbe behandeln und die schlimmsten Stellen mit Pflaster verkleben konnte. »Ich würde sagen, dass du dir einfach den Schädel rasieren solltest, bis das hier verheilt ist«, murmelte sie. »Aber damit habe ich nichts zu tun.«
»Das ist gut.«
»Du hast wirklich großes Glück gehabt. Ich hoffe, dass Brise bald zurückkommt. Ich war stinksauer auf mich, als sie sich losriss.« Und mit hörbarem Stolz fügte sie hinzu: »Sie wird immer größer. Sie ist schon viel stärker. Noch vor wenigen Wochen hätte sie sich gar nicht losreißen können. Ich hoffe, wir haben heute Nacht mehrere Monde. Du wirst ziemlich beeindruckend aussehen. Wir sollten dich die Katzenkämpferin nennen. Du hast immer noch die Narben von der letzten Tatzenkatze, der Hüpfer zum Opfer fiel. Du wirst genauso schlimm wie Jenna aussehen, wenn du so weitermachst.«
Sie klang fast wieder wie früher. Also ließ ich sie reden, ohne ihren Monolog zu unterbrechen. Vielleicht war jetzt die Kayleen zu uns zurückgekehrt, über die wir uns Sorgen gemacht hatten, die sich nicht gut genug konzentrieren konnte, um in der Wildnis zu überleben, die aber keineswegs verrückt gewesen war.
Ich ließ sie plappern, während sie mich verarztete. Nach einer Weile hörte ich gar nicht mehr auf ihre Worte, sondern nur noch auf die Melodie ihrer Stimme.
Liam hob eine flache Grube aus, um das Gras zu schützen, und befestigte den Rand mit Steinen. Er legte einen Teil des Feuerholzes hinein und verteilte den Rest auf zwei ordentliche Haufen. Dann zerrte er den Katzenkadaver herüber, setzte sich auf einen dicken Baumstamm und zog sein Notizbuch hervor. »Wie wollen wir es nennen?«
»Müssen wir das jetzt entscheiden?«, fragte Kayleen. »Ich möchte nach Brise suchen.« Die leuchtenden Strahlen der tief stehenden Sonne ergossen sich über ihr Gesicht und zauberten rötliche Reflexe auf ihr dunkles Haar.
Auch ich wollte mich auf die Suche nach dem Gebra machen. »Wir sollten zusammen losgehen. Nur ein kleines Stück. Wir wollen wieder hier sein, bevor es dunkel geworden ist. Ich möchte nicht, dass wir uns trennen.«
Liam seufzte. »Nein, das hat beim letzten Mal schon nicht gut funktioniert.« Er stand auf und blickte auf die Katze herab. »Ich möchte nicht so weit fortgehen, dass Aasfresser angelockt werden. Es ist unser Abendessen.« Er blickte wieder zum Himmel. »Ich muss mir weitere Notizen machen, und ich möchte es häuten. Warum geht ihr beiden nicht ein kleines Stück durch die Mitte des Tals, nicht weit, und ruft noch einmal nach Brise? Wenn ihr nichts findet, können wir morgen ernsthaft nach ihr suchen.«
Kayleen seufzte. »Komm schon, Chelo. Ich ertrage die Vorstellung nicht, dass Brise die Nacht ganz allein verbringt.«
»Liam, bitte! Ich möchte nicht, dass wir uns trennen«, wiederholte ich.
»Na gut. Aber nicht so weit.«
Der Ausflug war umsonst. Wir sahen oder hörten nichts von Brise, bevor die Spitzen der Hügel im Westen die Sonnenscheibe berührten und der Schatten des Waldes sich über die Wiese auf uns zuschob. Als das Licht nachließ, verlor die Luft schlagartig jede Wärme. Wir kehrten zurück, Kayleen und
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