Das silberne Schiff - [Roman]
Gesicht, ihr fehlendes Auge und die tiefen Falten und Runzeln, die es umgaben. An Bord war sie sogar noch magerer geworden als während ihres Lebens am Rand von Artistos, wo sie gejagt und sich vom Land ernährt hatte. Als hätte es ihr jede Lebenskraft entzogen, sich an einem Ort ohne unmittelbare Gefahren zu befinden. Ihr einziges stahlgraues Auge richtete sich auf mich, und ich wartete ab, was sie sagte.
Ihre Stimme war so kalt wie ihr Blick. »Ich vermute, es handelt sich nicht um einen Zufall.«
Ich schüttelte den Kopf und versuchte gar nicht erst, mich zu rechtfertigen.
Sie nahm das Glas Wasser und trank es aus. »Was hast du in der Zeit getan?«, fragte sie in scharfem Tonfall.
Ihre Frage und der Blick ihrer Augen gaben mir das Gefühl, sie verraten zu haben. Ich schluckte und setzte mich aufrecht. Ich erzählte ihr, was ich getan hatte, und bemühte mich, die Geschichte ehrenhaft klingen zu lassen, ohne ihr etwas zu verheimlichen, auch nicht den Besuch im Zimmer meiner Eltern und die Einträge des Tagebuchs meines Vaters.
Als ich fertig war, sagte sie: »Ja, sie könnten rechtzeitig zurückgekehrt sein.« Sie seufzte und schwieg ungewöhnlich lange. »Aber es war zweifellos knapp.« Sie wartete wieder ab und beobachtete mich aufmerksam. »Ich schätze, irgendwann musstest du damit beginnen, deiner Bestimmung zu folgen, und mir war klar, dass du mehr über deine Eltern wissen willst.« Sie starrte mich mit gleichmäßigem Blick an und war so ruhig, dass ich den Zorn in ihrem Schweigen hörte. »Ich erwarte jedoch, dass du keine weiteren Entscheidungen triffst, ohne dich vorher mit mir abzusprechen.«
»Warum? Ich bin jetzt erwachsen, und ich kann mit dem Schiff umgehen.«
Sie lachte, und es klang beißend und ein wenig unheimlich. »Ein einfaches Schiff auf vorprogrammiertem Kurs zu fliegen ist nichts im Vergleich zur Navigation auf einem Planeten voller hochentwickelter Menschen und komplizierten politischen Verhältnissen. Du darfst nicht eigenmächtig handeln, wenn wir eingetroffen sind. Die ersten paar Tage auf Silberheim könnten gefährlich sein.«
»Warum?«
Sie wandte mir den Rücken zu und ging zur Kombüse, wo sie sich ein weiteres Glas Wasser holte. Sie trank es schnell aus und füllte es noch einmal. Doch sie hielt es in der Hand, während sie mich von oben bis unten musterte, als wollte sie in meiner Seele lesen. Dann sagte sie nur: »Silberheim wird dir ungefährlicher als Fremont vorkommen. Aber in Wirklichkeit ist es dort viel gefährlicher, vor allem für dich.«
»Warum für mich?«
»Weil niemand mit deiner Stärke es sich erlauben kann, so eigensinnig zu sein.«
Sie verließ den Raum, als könnte sie es nicht ertragen, noch ein weiteres Wort mit mir zu wechseln.
Kapitel 12
Entscheidungen
Bilder von einer abstürzenden Neuen Schöpfung verfolgten mich.
Ich saß gesichert im gepolsterten Spezialsessel in der Kommandozentrale, und mein Kopf wurde von einer festen und weichen Stütze gehalten. Unschlüssig starrte ich zur armseligen blau leuchtenden Decke hinauf. Jenna stand schweigend und reglos hinter mir und sah mich mit gerunzelter Stirn an. Das Licht von den Kontrollanzeigen schimmerte in allen Farben auf dem Narbengewebe ihres Gesichts. Es war wie ein Sonnenaufgang über einem fernen Gebirgszug.
Das leise Summen, Klicken und Piepen der Kontrollen verwischte zu einem beständigen Hintergrundgeräusch, das inzwischen vertraut, beinahe beruhigend klang. Ich glitt mit den Fingern über meinen Pilotenmantel und spürte die Buckel der Datenspeicher, den weichen, samtartigen Stoff, in den winzige glatte Datenfäden eingewebt waren. Obwohl ich ihn gar nicht mehr für die üblichen Datenabfragen brauchte, wollte ich sichergehen, dass ich die bestmögliche Kommunikationsverbindung zur Neuen Schöpfung hatte, wenn ich die Bremsphase einleitete. Ich nahm einen tiefen Atemzug von der kühlen, aufbereiteten Luft, die ich wahrscheinlich schon tausendmal in den Lungen gehabt hatte, und entließ ihn langsam, um mich zu entspannen und den Datenfluss zu öffnen. Bremsmanöver.
Keine große Sache.
Sternenzähler stellte den Vorgang für mich visuell dar, und Jenna hatte mir bereits alles erklärt, was sie wusste. Es klang sehr einfach. Aber für Jenna war es auch nicht besonders schwierig, eine Tatzenkatze zu töten.
»Entspann dich, Joseph.«
Ich blickte auf und bemerkte die tiefen Falten auf ihrer Stirn.
»Du bist mit Sternenzähler die Simulation durchgegangen.« Ihr Tonfall war
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