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Das silberne Schiff - [Roman]

Das silberne Schiff - [Roman]

Titel: Das silberne Schiff - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Besatzungsquartiere gehörten. Darüber gab es nur noch Labore und Lagerräume und schließlich den Schiffsbug, in dem Schwerelosigkeit herrschte und der als Rettungskapsel abgetrennt werden konnte.
    Ich befahl Leo, mich zum oberen der beiden Besatzungsdecks zu bringen. Er glitt durch die Tür zum Quartier und blieb gleich dahinter stehen, so dass ich noch ein langes Bein in der offenen Tür sehen konnte, als wollte er mir sagen, dass er auf mich wartete.
    Die Wände waren mit roten, grünen und gelben Röhren und dunkelblauen Handgriffen überzogen, ein Chaos aus Anlagen, die den fünfzig Menschen dienten, die hier leben konnten. In der Neuen Schöpfung hatten bis zu zweihundert Personen Platz, fünfzig auf jedem Wohndeck, solange die Hälfte von ihnen eingefroren war.
    Ich schob mich an Leo vorbei und trat durch eine Tür rechts von mir, indem ich den Angaben in Sternenzählers Datenbanken folgte. In jedem Mehrfachquartier konnten zwölf oder dreizehn Menschen untergebracht werden. Gemeinsame Badezimmer und Küchen drängten sich um das Zentrum des Schiffs. In die Außenwände waren die Eingänge zu Räumen eingelassen, die groß genug für ein bis zwei Personen waren, in denen sie schlafen und ihre persönlichen Dinge aufbewahren konnten.
    Der Aufenthaltsbereich zwischen den Küchen und Schlafzimmern war leer. Stühle standen herum, als würden sie darauf warten, besetzt zu werden. Ich ging hindurch zu den Schlafräumen. Meine Eltern hatten gemeinsam in einem Zimmer ganz am Ende gewohnt.
    Ihr Bett nahm die ganze Wand auf der Rückseite ein. Darauf lag ordentlich eine goldene Decke, die von einem Planeten und sieben Monden geschmückt wurde. Ein Bild von Fremont. Hatte meine Mutter diese Decke gemacht, um ihren Traum von einer neuen Heimat zu visualisieren?
    An einer Wand waren geschlossene Schränke angebracht, die mich selbstverständlich reizten. Aber zuerst legte ich mich auf das Bett. Ich atmete tief ein und bemühte mich, irgendeinen menschlichen Geruch wahrzunehmen, irgendeinen Rest ihrer Energien. Aber der Raum roch nicht nach Menschen. In der sterilen Schiffsluft lag nur ein Hauch von Metall, Öl und Garten.
    Ich schwang die Beine vom Bett und öffnete die Schranktüren. Es gab vier Regalfächer. In den unteren beiden lag Kleidung. Ich sah mir die oberen genauer an, die kleiner waren. Das linke Fach schien meiner Mutter gehört zu haben. Eine Halskette aus silbrigem Metall mit eingearbeiteten schimmernden Perlen lag neben dazu passenden Ohrringen. Sie waren einfach und fein und steckten an einem dunkelblauen Tuch. Daneben stand ein Tablett mit einem Spiegel, einer Haarbürste und einer blauen Schachtel.
    Ich löste die Schachtel vorsichtig aus der Halterung und öffnete den Deckel. Sie war mit Zetteln und Schreibstiften vollgestopft. Ich nahm die Zettel heraus. Es waren Zeichnungen. Von Menschen und von Pflanzen. Einige Menschen auf den Zeichnungen hatten offensichtliche Genmodifikationen – eine Frau mit Flügeln, ein Kraftprotz mit übergroßen Muskeln, ein Mann mit vier Armen. Ich fand auch eine Zeichnung von Fremont, das Bild eines Gebras, gut getroffen, mit langem Hals und Bart, der Kopf gedreht, als würde es sich umblicken.
    Die Hälfte der sorgfältig ausgeführten Zeichnungen zeigte einen gutaussehenden Mann mit langem dunklem Haar, blauen Augen und einem breiten Lächeln. Er sah genauso normal wie ich selbst aus. Zumindest waren keine Modifikationen zu erkennen. Auf den Porträts waren besondere Momente dargestellt, wenn der Mann zu den Sternen aufblickte oder entspannt auf einer Couch saß und die Künstlerin betrachtete.
    Das war zweifellos mein Vater. Wen sonst hätte sie so oft gezeichnet? Ich breitete die Blätter auf dem Bett aus und sah sie mir noch einmal an. Seine Augen standen weiter auseinander als meine, aber ich hatte sein Kinn und sein offenes Lächeln. Ich spürte einen Schmerz in meiner Kehle. »Leo? Was meinst du? Habe ich Ähnlichkeit mit ihm?« Einen Moment dachte ich, meine Worte konnten nur auf taube Ohren gestoßen sein, doch dann verließ Leo seinen Posten an der Tür und hockte sich neben mich ans Fußende des Betts.
    Das rechte Fach war nicht so ordentlich. Darin lagen eine Haarbürste und ein Stirnband mit Datenfäden, ähnlich wie das Band meines Vaters, das Jenna mir auf Fremont gegeben hatte. Ich nahm es aus dem Schrank und ließ es durch meine Finger gleiten. Die eingewebten Fäden waren rot, blau und golden, und das Lederband war steif geworden. Ich bearbeitete es

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