Das silberne Schiff - [Roman]
doch wir, oder?«
Sie kam zu mir und setzte sich auf eine Bank. In einer Geste der Nutzlosigkeit fuhr sie sich mit den Fingern durchs Haar. »Gute Antwort. Ja, das sind wir.«
Sie hatte mir nur wenig über die Raumhafenverwaltung erzählt, aber ich wusste, dass sie den interstellaren Flugverkehr organisierte, der hauptsächlich zwischen Silberheim und vier anderen Planeten in der Nähe stattfand – die sich in maximal einem knappen Jahr Flugzeit erreichen ließen. Das war erheblich näher als Fremont mit drei Jahren Entfernung, obwohl man auf der längeren Strecke schneller fliegen konnte. »Müssen wir ihnen gehorchen?«
»Zuerst eine gute Antwort und nun eine gute Frage.« Ihre Mundwinkel verzogen sich verschmitzt und ließen ihre Narben wie einen Fächer aussehen. »Wir haben wertvolle Fracht an Bord, vielleicht sogar genug, um der Familie helfen zu können. Ich habe der Raumhafenverwaltung noch nicht geantwortet.«
»Und wem hast du vorhin geantwortet?«
»Meiner Schwester Tiala.«
Ich war niemals auf den Gedanken gekommen, dass Jenna eine Familie haben könnte. Abgesehen von uns. War dieser Kontakt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Ihr Gesichtsausdruck war völlig neutral.
»Was hat sie gesagt?« Es wäre nett gewesen, wenn Jenna die Informationen preisgegeben hätte, ohne dass ich sie ihr aus der Nase ziehen musste.
»Sie sagt, dass es nur ein Geldproblem ist und dass die Raumhafenverwaltung viel zu viel Gewese um dieses Problem macht.« Sie hielt inne und rieb sich mit einem Finger den Mundwinkel. »Ich vertraue meiner Schwester. Aber es könnte gefährlich sein, sich der Raumhafenverwaltung zu widersetzen. Also werden wir Alicia und Bryan wecken und eine gemeinsame Entscheidung treffen.«
»Bleibt uns so viel Zeit?«
»Ich werde nicht auf die Forderungen der Raumhafenverwaltung eingehen, solange wir noch den Kurs ändern können, um ohne Schwierigkeiten die Koni-Station zu erreichen.« Sie zog ihre Augenbraue hoch. »Wenn wir dort ohne finanzielle Mittel festsitzen, könnte es ein Jahr dauern, bis wir es schaffen, auf den Planeten zu gelangen.«
Es überraschte mich nicht, dass Jenna keine Befehle akzeptierte.
»Wir sollten Alicia und Bryan sofort wecken, um Zeit zu sparen«, fuhr sie fort. »Du könntest in Bryans Aufweckraum auf ihn warten.«
»Ich würde lieber auf Alicia warten.«
Sie lachte, was man selten von ihr hörte. Aber an Bord des Schiffs hatte sie schon viel häufiger gelacht als auf Fremont. »Das ist mir klar. Aber sie kennt mich und er nicht.«
Wohl wahr. Auf Fremont hatte Jenna nur wenig mit Bryan zu tun gehabt. In der Zeit, als sie uns die Höhle gezeigt und mir geholfen hatte, die Zugänge wieder zu öffnen, die mit den Todesschreien meiner Adoptiveltern verschüttet worden waren, hatte er im Gefängnis des Stadtrats gesessen. Nach einem flüchtigen Blick auf seine Verletzungen hatte Jenna angeordnet, dass er sofort eingefroren wurde, noch bevor wir von Fremont aufgebrochen waren. »Also gut. Wie wird es ihm gehen?«
»Der Kälteschlaf ist weder schädlich noch heilsam. Er wird sich fühlen, als wäre er vor kurzem zusammengeschlagen worden.«
»Wunderbar.«
Sie zögerte, als würde sie es sich noch einmal überlegen. Doch dann sagte sie: »Wenn Bryan aufgewacht ist, bring ihn in die Bordklinik. Ich werde mich dort um ihn kümmern. Wenn er nicht laufen kann, sag mir Bescheid, damit ich ihn hinübertrage. Nachdem ich mit Alicia gesprochen habe, treffen wir uns in der Klinik. Und vergiss nicht, dass Bryan nichts von unserem Flug nach Silberheim weiß.« Ihre Stimme nahm einen ironischen Tonfall an. »Alicia war zumindest noch wach, als wir gestartet sind.«
Jenna hatte uns beide bearbeitet, damit Alicia einwilligte, zwei Wochen nach unserem Aufbruch eingefroren zu werden. »Vielleicht musst du viel behutsamer vorgehen als ich«, sagte ich.
Sie lachte – schon zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit. Vielleicht genoss sie es, sich der Raumhafenverwaltung zu widersetzen.
Zwei Stunden später ging ich leise neben Bryan auf und ab. Sein erwärmter Körper atmete flach. Die normalerweise bronzefarbene Haut wirkte blass im Vergleich zu seinem dunkelbraunen Haar. Im Gegensatz zu mir waren Bryan die Genmodifikationen deutlich anzusehen. Er war größer und breiter und stärker als wir anderen. Er war schon immer der kräftigste Mensch von ganz Artistos gewesen und dadurch zum Opfer der Vorurteile geworden. Eine Gruppe aus jungen Kerlen in unserem Alter, angeführt von
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