Das silberne Schiff - [Roman]
Datenströmen mich nicht mehr umhauen würde.
Ich war jetzt schon seit fast sieben Wochen hier. Die Aussicht, etwas anderes zu sehen zu bekommen, lenkte meine Aufmerksamkeit von der winzigen Pflanze ab.
Ich konzentrierte mich wieder. Jedes der fünf silbrig grünen Blätter des Keimlings endete in einer bösen kleinen Spitze. Sie hatte einen leichten süßlichen Duft, der schwer vom stärkeren Geruch der Erde zu unterscheiden war. Sie sendete keine eigenen Daten aus, aber Nanomoleküle in der Erde und im Wasser sangen ständig ihr leises Lied, eine Melodie aus Boden, Wurzel, Blatt, Luft und Wasser.
Ich schloss die Augen und beobachtete die Datenstrukturen, die die Nanos erzeugten, das elegante Spiel der Meldungen. Ich wusste jetzt, dass alles auf der Verbindung von Nanotechnik und Biologie basierte – selbst in mir, dem Empfänger. Die Geschichten in den Gartendaten erzählten sich unsichtbare Nanos in der Erde, im Wasser und in der Luft und unsichtbare Nanos in meinem Blut, die an die biologischen Strukturen meines Gehirns gekoppelt waren. Windleser lasen den Wind von Nanotransmittern.
Ich las die Geschichten, die die Pflanze mir erzählte.
Aus einer Perspektive sah ich die Pflanze als Ganzes – ihre Form und den Vektor ihres Wachstums. Aus einer anderen Sicht markierten Datenstrukturen, wie das Wasser durch die winzigen Haarwurzeln hinauffloss, um die Blätter zu nähren. Seltsam, dass ein so kleines Ding – etwas, das ich auf Fremont niemals bemerkt hätte – so große Komplexität besaß und dass dieses zarte Leben so große Schönheit hatte.
Alicia wäre davon begeistert. In meiner Vorstellung leuchteten ihre Augen auf, und sie streckte die Finger aus, um die winzigen hellgrünen Blätter zu streicheln. Dann berührten sie mich.
»Für einen kurzen Moment hattest du es.« Marcus’ Stimme kam von oben. Ich blinzelte und blendete meine Verbindung zu den Daten aus. Ich hatte nicht gehört, wie er die Küchentür geöffnet hatte. Er wippte auf den Fußballen und schien mit Energie geladen zu sein. Vielleicht fühlte er sich genauso eingesperrt wie ich. »Wenn du heute richtig gut bist, gebe ich dir morgen früh vielleicht einen Topf mit zwei Pflanzen«, neckte er mich.
Ich blickte lächelnd zu ihm auf. »Ich hatte an etwas Größeres gedacht, zum Beispiel einen Vogel.«
»Du wärst so überwältigt, dass er dir die Augen auspicken würde.« Seine Augen funkelten belustigt.
»Lassen wir es drauf ankommen«, schlug ich vor.
»Noch nicht. Selbst Windleser wissen ihr intaktes Sehvermögen gelegentlich zu schätzen.«
Ich seufzte, reichte ihm den Topf und stand auf. »Nun gut, dann gehen wir, solange ich noch über Sehvermögen verfüge.«
Er stellte den Topf auf eine eiserne Werkbank am Rand des Gartens. Ich folgte ihm über den Steinweg, der am Haus entlang zum Gleiterlandeplatz führte, eine kleine flache Stelle aus geglättetem Stein, der hier mit der gleichen Technik gewachsen war, die in meinen Adern summte. Zu klein, um sie sehen zu können, aber groß genug, um die ganze Welt zu verändern.
Als wir in den Gleiter stiegen, musterte er mich von oben bis unten. »Bleib abgeschottet, bis ich dir etwas anderes sage.«
Ich runzelte die Stirn, denn ich wollte unbeschwert in den riesigen Netzen herumstöbern, um zu sehen, ob ich es jetzt konnte. »Weswegen machst du dir Sorgen?«
»Gerüchte über dich sind durchgesickert. Die meisten Leute interessieren sich nicht dafür, aber das gilt nicht für alle.« Die Maschinen des Gleiters summten ihr Aufwachlied.
»Gerüchte?«
Der Gleiter stieg sanft auf. Marcus grinste auf alberne, fast bösartige Weise. »Es geht um den fremden Jungen, der mit einem Raumschiff geflogen ist. Hier gibt man sich gern Klatsch und Tratsch hin. Zumindest im Netz der Windleser.«
»Aber ich bin wirklich mit einem Raumschiff geflogen!«
»Richtig.« Marcus lächelte. »Aber irgendwie bist du inzwischen überlebensgroß geworden. Der Flug wurde immer schwieriger, die Neue Schöpfung war schwer angeschlagen, und je nach Version der Gerüchte hat die Raumhafenverwaltung dich irgendwo versteckt, oder du bist den Leuten entkommen und hast dich selber versteckt. Die Raumhafenverwaltung schweigt sich selbstverständlich völlig zu diesem Thema aus.«
»Was ist also mit der Raumhafenverwaltung? Du hast gesagt, sie würde nach mir suchen. Aber wir haben bisher nichts von ihr bemerkt.«
»Ich bin mir ziemlich sicher, die wissen, dass du bei mir bist. Sie werden dich finden, wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher