Das silberne Zeichen (German Edition)
Verzierungen beginnen.» Heyn ging zurück in die Werkstatt. Dabei rieb er sich fahrig die Hände an seiner ledernen Arbeitsschürze ab. «Frau Marysa? Darf ich Euch eine Frage stellen?»
«Gewiss doch.» Ermunternd nickte sie ihm zu.
«Habt Ihr noch immer keine Nachricht von … ähm … Eurem zukünftigen Gemahl?»
«Leider nicht.»
«Wir könnten ihn hier gut brauchen», fuhr Heyn fort. «Er hat doch diese schönen Schnitzereien für den Stiftsschrein angefertigt. Wenn er uns bei den Amuletten helfen würde …»
«Ich weiß.»
«Warum habt Ihr ihn uns eigentlich nicht vorgestellt, als er im Herbst hier in Aachen war?»
Marysa schluckte und spürte eine leichte Röte in ihre Wangen steigen. «Weißt du, es ergab sich einfach keine …»
«Er ist ein guter Mann», unterbrach Heyn sie. «Das hab ich gleich gewusst.»
Erschrocken sah sie ihn an. «Wie meinst du das? Du kennst ihn doch gar nicht.»
Heyn lächelte. «Ich mein es so, wie ich es sage.» Mit einem Augenzwinkern fügte er hinzu: «Hoffe bloß, er lässt Euch nicht mehr so lange warten.» Damit griff er nach einer Feile und begann, ein ovales Holzstück zu bearbeiten.
Marysa sah ihm einen Moment lang dabei zu, ging dann in ihr Kontor. Wie es aussah, war ihr Geheimnis längst keines mehr. Zumindest innerhalb der Mauern ihres Hauses. Ein wenig mulmig wurde ihr bei dieser Erkenntnis, doch sie war sicher, dass Heyn darüber schweigen würde. Er war eine treue Seele, ebenso wie Leynhard. Ob dieser auch schon etwas ahnte? Bisher hatte sie angenommen, dass nur Milo Bescheid wusste.
Sie blickte sich um und erinnerte sich an den Brief an Meister Barabás, der noch immer unvollendet in ihrer Lade ruhte. Bevor sie jedoch dazu kam, ihn hervorzuholen, klopfte jemand zaghaft an den Türrahmen. Als sie sich umwandte, sah sie sich Milo gegenüber. Hinter ihm erblickte sie ein schlankes braunhaariges Mädchen mit hübschen blauen Augen und ängstlichem Gesichtsausdruck.
«Was gibt es, Milo?» Marysa ging einen Schritt auf die beiden zu.
«Verzeiht, Herrin, wenn ich Euch bei der Arbeit störe. Aber Ihr habt doch gesagt, dass meine Base Geruscha sich bei Euch vorstellen soll. Hier ist sie.» Ein wenig unsanft zog Milo das Mädchen näher, bis es vor Marysa stand. «Sie will wirklich gern in Euren Dienst treten, nicht wahr?» Er stieß Geruscha einen Ellbogen in die Rippen.
Das Mädchen zuckte zusammen und wurde puterrot. «Ja, ähm, ich … also …», stammelte sie.
Marysa betrachtete das verschüchterte Menschlein eingehend. «Geh bitte hinaus, Milo. Ich möchte gern allein mit Geruscha sprechen.»
Milo gehorchte und ging wieder an seine Arbeit. Marysa schloss die Tür und musterte das Mädchen erneut. Es trug ein abgetragenes braunes Kleid und Sandalen, die sie gegen die Kälte mit dicken Stoffstreifen umwickelt hatte. Die Hände hielt Geruscha krampfhaft ineinander verschränkt.
«Du bist also Milos Base», begann Marysa bedachtsam, da sie merkte, dass das Mädchen vollkommen verängstigt war.
Geruscha nickte zaghaft.
«Du möchtest als Magd in meinem Haushalt arbeiten?»
Wieder nickte Geruscha. «Ja, wohledle Frau, das möchte ich», sagte sie mit etwas zittriger, gleichwohl jedoch angenehm melodischer Stimme. «Milo hat gesagt …» Plötzlich verstummte sie.
Marysa blickte ihr aufmerksam in die Augen. «Was hat Milo gesagt?»
Geruschas Wangen verfärbten sich wieder dunkelrot. «Äh, er hat gesagt, dass Ihr eine gute Herrin seid und …»
«Und?»
Das Mädchen biss sich auf die Lippen. «Dass Ihr mich vielleicht auch nehmt, obwohl ich …»
«Du hast bisher keine Anstellung gefunden?»
«Nein.»
«Wegen dessen, was dir geschehen ist?»
Geruscha senkte den Blick verlegen auf ihre Fußspitzen.
«Milo sagt, du seist fleißig und zuverlässig. Deine Aufgabe besteht darin, das Haus sauber und in Ordnung zu halten, Imela bei den täglichen Verrichtungen zur Hand zu gehen, die Wäsche für die Wäscherinnen zusammenzutragen. Auch musst du Balbina, falls notwendig, bei den Einkäufen helfen. Außerdem müssen die Hühner und die beiden Ziegen versorgt werden. Um die Pferde kümmern sich Milo und Jaromir. Kannst du mit einer Axt umgehen, falls die Männer einmal nicht da sind, um Holz zu hacken?»
Bei Marysas ruhigen Worten hob Geruscha ihren Kopf wieder und sah sie beinahe ungläubig an. «Ihr nehmt mich?»
«Sechs Wochen zur Probe», antwortete Marysa lächelnd. «Wenn ich danach mit deiner Arbeit zufrieden bin, darfst du bleiben. Du
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