Das silberne Zeichen (German Edition)
Abzeichen auch einfach nur übersehen.» Ehe Marysa etwas darauf sagen konnte, hob er beschwichtigend die Hand. «Ich werde das Schöffenkolleg über Euren Verdacht informieren und veranlassen, dass Meister van Hullsens Familie, seine Gesellen und Lehrjungen allesamt noch einmal eingehend befragt werden. Für Euch, liebe Frau Marysa», er lächelte ihr zu, «bedeutet der Fund der gefälschten Zeichen immerhin, von dem Verdacht des Betrugs befreit zu sein. Oder doch zumindest beinahe.»
Der Domherr stand auf und trat neben sie. «Kommt, Frau Marysa, ich geleite Euch persönlich nach Hause. Herr van Eupen hat recht. Zwar hatte ich Euch von Anfang an nicht im Verdacht, aber so, wie die Dinge nun liegen, freue ich mich, dass sich mein Vertrauen in Euch bestätigt hat. Wenn auch durch ein so trauriges Ereignis wie den Tod eines guten Mannes. Dennoch möchte ich Bruder Bartholomäus ein paar Tage zur Aufsicht in Eurer Werkstatt lassen. Der Dechant und das Stiftsgericht werden darauf bestehen. In der Zwischenzeit muss ich mich nach einem anderen Silberschmied umsehen, der zukünftig die Abzeichen für Eure Amulette anfertigt.»
7. KAPITEL
Verdrießlich spielte er mit einem der falschen Silberzeichen herum. Sie hatten den Beutel also bei van Hullsen gefunden und hoffentlich die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Dennoch war sein Plan nicht aufgegangen. Dieser vermaledeite Domherr war offenbar schon wieder dabei, einen anderen Silberschmied für die Amulette zu gewinnen. Natürlich – das Marienstift brauchte Geld. Die Pilgeramulette versprachen beim Adel sehr gefragt zu werden. Wie man hörte, hatten sich bereits mehrere weitere Käufer gefunden. Wenn dann im Herbst erst all die Grafen, Fürsten und Würdenträger zu König Sigismunds Krönung nach Aachen kamen, würde der Verkauf der Reliquiare nur so florieren.
Das würde wiederum bedeuten, dass auch Marysa Markwardts Ansehen steigen und sich ihr Vermögen beträchtlich vergrößern würde.
Er knirschte mit den Zähnen. So viel Glück hatte sie nicht verdient. Irgendetwas musste ihm einfallen, ein neuer Plan, mit dem er sie zu Fall bringen konnte. Welche Genugtuung wäre es ihm, dieses hochmütige Weib in den Staub treten zu dürfen!
Wenigstens hatte ihm der Zwischenfall mit van Hullsen etwas Geld verschafft. Zusammen mit den Münzen, die er beim Verkauf zweier der gefälschten Abzeichen eingenommen hatte, besaß er nun eine erkleckliche Summe – so viel, wie er sonst in einem halben Jahr nicht einnahm. Sogar eines der Reliquiare aus Marysas Werkstatt hatte er entwenden und verkaufen können. Der Lagerraum dort war inzwischen wieder recht gut bestückt, sodass das Fehlen eines Einzelstücks gar nicht auffiel.
Das Geld verschaffte ihm ein wenig Genugtuung, aber seine trübe Stimmung ließ sich damit nicht vertreiben. Nicht einmal die wachsende Sorge, die er in Marysas Augen wahrgenommen hatte, weil Christoph Schreinemaker noch immer nicht zurückgekehrt war, heiterte ihn auf. Gewiss, wenn der Schreinemaker gar nicht mehr zurückkehrte – das wäre eine Freudennachricht. Mit etwas Glück war er auf seiner Reise irgendwo unter die Räder gekommen oder in der Kälte erfroren. Doch so recht glauben konnte er nicht daran. Wenn sein Verdacht stimmte, war dieser Mann das Reisen auch unter widrigsten Umständen gewohnt. Dann würden ein wenig Eis und Schnee ihn nicht von Aachen fernhalten. Seit der Nachricht, die er abgefangen hatte, waren schon viele Wochen vergangen. Gewiss würde der Schreinemaker nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Wieder knirschte er mit den Zähnen, dann lächelte er wölfisch vor sich hin. Er würde diesem Betrüger einen herzlichen Empfang bereiten.
8. KAPITEL
«Heyn? Bist du da?» Suchend blickte Marysa sich in der Werkstatt um und ging dann zu der schmalen Tür, die zu dem kleinen Lagerraum führte, in dem die Holzvorräte und die fertiggestellten Schreine und Reliquiare aufbewahrt wurden. «Was machst du denn da?», fragte sie.
Der Altgeselle fuhr zu ihr herum. «Frau Marysa, ich habe Euch gar nicht kommen hören.» Rasch rückte er ein paar der Schreine, die den Kunden als Muster dienten, zurecht. «Ich habe gerade für Ordnung gesorgt. Hier liegt eine Menge Staub.»
«Ich sage Imela, dass sie morgen hier sauber machen soll», antwortete Marysa. «Wie weit seid ihr mit dem Schrein für den Kaufmann Boecke? Er will sich die Fortschritte morgen ansehen.»
«Sobald Leynhard mit dem Blattgold zurück ist, können wir mit den
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