Das silberne Zeichen (German Edition)
aus und rieb sich die Seite. Erzürnt starrte er Christoph an, machte jedoch keine Anstalten, ihn noch einmal anzugreifen.
«So.» Christoph verschränkte die Arme vor der Brust. «Nun hört Ihr mir zu, Meister Schrenger. Ich bin nicht Bruder Christophorus, sondern Christoph Schreinemaker.»
Hartwig gab einen spöttischen Laut von sich. «Glaubt Ihr vielleicht, ich bin blind? Nur weil Ihr andere Kleider …»
«Bruder Christophorus ist mein Zwillingsbruder.»
«Unsinn!»
«Es gibt Schriftstücke, die es beweisen, und Männer, die es bezeugen können.»
Argwöhnisch hielt Hartwig inne. «Zeigt mir diese Beweise.»
«Das geht jetzt nicht.»
«Warum nicht?»
«Sie wurden gestohlen.»
«Ge …! Dass ich nicht lache! Ihr Hundesohn wollt mich tatsächlich für dumm verkaufen. Aber nicht mit mir, Schreinemaker – oder wie auch immer Ihr heißen mögt. Ich zeige Euch bei den Schöffen an! Die werden schon wissen, was sie mit einem schamlosen Betrüger wie Euch machen sollen. Ihr werdet sehen.»
«Meister Schrenger …», versuchte Christoph den aufgebrachten Mann zu unterbrechen, doch dieser stieß ihn grob beiseite und war im nächsten Moment bereits zur Tür hinaus.
Christoph fluchte und hieb mit der Faust gegen den Bettpfosten. Das Letzte, was er jetzt brauchen konnte, war Ärger mit dem Schöffenkolleg. Er konnte geradezu hören, wie das dünne Eis, auf dem er sich bewegte, Risse bekam und unter ihm einzubrechen drohte.
12. KAPITEL
«Ist Heyn inzwischen von Meister Astened zurück?», wollte Marysa von Leynhard wissen, der gerade dabei war, eine Holzplatte mit einer Feile zu bearbeiten. «Ich habe ihn schon vormittags losgeschickt. Vielleicht hätte ich doch lieber selbst gehen sollen.»
Leynhard schüttelte den Kopf. «Noch nicht, Frau Marysa. Ich habe mich auch schon gewundert, wo er bleibt.» Er grinste schief. «Es wird doch nicht am Ende wieder ein Feuer ausgebrochen sein?»
Marysa verzog besorgt die Lippen und trat ans Fenster, das zur Straße hinauszeigte. «Darüber macht man keine Scherze, Leynhard. Meister van Lyntzenich hat seine Silberschmiede und sein Heim verloren. Er ist wirklich zu bedauern. Man kann von Glück sagen, dass seiner Familie nichts geschehen ist.»
«Einer seiner Gesellen ist im Feuer umgekommen», fügte Leynhard an.
«Ja, es ist wirklich scheußlich.» Plötzlich hellte sich Marysas Miene auf; sie deutete aus dem Fenster. «Da kommt Heyn endlich.» Sie trat näher an das Fenster heran. «Er ist nicht allein. Rochus van Oenne und einer seiner Schreiber sind bei ihm.» Rasch öffnete sie die Haustür, um die Männer einzulassen.
«Guten Tag, Frau Marysa», grüßte der Domherr sie freundlich. «Wie gut, dass ich Euch antreffe. Ich muss dringend mit Euch sprechen.»
«Dann folgt mir in mein Kontor.» Marysa machte eine einladende Geste. Sie ging ihm voran und rückte den Besucherstuhl für ihn zurecht, bevor sie sich selbst an ihr Schreibpult setzte. Bruder Weiland, der Schreiber, blieb still an der Tür stehen.
«Sicher könnt Ihr Euch bereits denken, weshalb ich hier bin», begann van Oenne sogleich.
Marysa nickte. «Der Brand in Meister van Lyntzenichs Werkstatt.»
«Ganz recht.» Der Domherr faltete die Hände. «Ein schlimmer Verlust für ihn.»
«Und ein merkwürdiger Zufall», fügte Marysa hinzu. «Erst dieser Überfall auf Meister van Hullsen, nun der Brand …»
«Ich sehe, Ihr habt bereits ähnliche Schlüsse gezogen wie ich. Diese beiden Unglücksfälle kamen ein bisschen rasch hintereinander.»
«Besonders wenn man bedenkt, dass beide Silberschmiede den Auftrag erhielten, die Pilgerabzeichen für Euch anzufertigen», stimmte Marysa zu. «Glaubt Ihr, dass jemand dies verhindern will?»
Van Oenne richtete sich ein wenig auf. «Wenn es so ist, fügt er uns nicht unbeträchtlichen Schaden zu – und Euch ebenfalls. Ganz zu schweigen von den Menschenleben, die er auf dem Gewissen hat. Das Stift wird die Sache nun wohl etwas eingehender untersuchen. Ich hoffe, Ihr seid bereit, uns bei der Aufklärung zu unterstützen.»
«Natürlich.» Marysa legte den Kopf auf die Seite. «Aber wie kann ich Euch behilflich sein?»
«Das wird sich vielleicht noch herausstellen», antwortete der Domherr nachdenklich. Dann lächelte er. «Wie mir zu Ohren gekommen ist, sah man gestern unter den Brandhelfern einen Fremden in Zunftkleidung, den jemand mit dem Namen Schreinemaker angesprochen hat. Gehe ich recht in der Annahme, dass sich Euer Verlobter nun endlich hier
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